Tag der Befreiung und Kriegsende: Der 8. Mai auf Google

Am 8. Mai 1945 kapitulierte die deutsche Wehrmacht bedingungslos. Wie recherchieren Deutsche in Ost und West den Tag im Internet nach?

Tag der Befreiung am 8. Mai in Berlin: Menschen legen am Sowjetischen Ehrenmal im Treptower Park Blumen nieder.

Tag der Befreiung: Ber­li­ne­r:in­nen am Sowjetischen Ehrenmal im Treptower Park Foto: Florian Boillot

Kriegsende oder Tag der Befreiung – was tippen Deutsche bei ihrer Internetrecherche eher in den Suchschlitz? Synchron bewegen sich die Verlaufskurven der verräterischen Suchbegriffe in den Google-Trends, eine Kurve immer über der anderen. Nur zum Jahrestag schießt die blaue Kurve „Tag der Befreiung“ über die rote Kurve „Kriegsende“ hinaus – mehr Menschen suchen dann danach, insbesondere anlässlich großer, runder Jubiläen.

Eine Karte zeigt die regionale Verteilung der Suchen, fein aufgeschlüsselt nach Bundesländern. Rechts blau, links rot: Im Gebiet der ehemaligen DDR suchen deutlich mehr Menschen nach „Tag der Befreiung“, im Westen eher nach „Kriegsende“.

Das überrascht nicht, führte die DDR doch 1950 den „Tag der Befreiung des deutschen Volkes vom Hitlerfaschismus“ als Feiertag ein – zumindest bis 1967 als arbeitsfreien Feiertag. Bis heute zeigt sich die eilige Entnazifizierung der Feiertage in den Such-Statistiken.

Und in der BRD? „Kriegsende“ hieß es da – mehr muss man doch dazu nicht sagen! Altnazis und ehemalige Wehrmachtangehörige bestimmten die Deutung der deutschen Kapitulation. Die ging schleppend voran, mit vielen stillen Pausen.

Erhard, Brandt, Weizsäcker, Nolte und Habermas

Schnell vergessen war Ludwig Erhards Erklärung zum 20. Jahrestag, in der er einen nicht überwundenen „geistigen und moralischen Verfall“ anmahnte. Auf Willy Brandts Miniatur-Erklärung zum 8. Mai 1970 entgegneten Vertreter der Union: „Niederlagen feiert man nicht.“

Dann: Kurze Pause, wuchernder Geschichtsrevisionismus, Weizsäcker-Rede, Historikerstreit. Zum 40. Jubiläum prägte Richard Weizsäcker die deutsche „Erinnerungskultur“ neu. Damals groß: Er sagte „Tag der Befreiung“ – nur meinte er damit die Befreiung des „deutschen Volkes“ von der Gewaltherrschaft durch die Obernazis.

Sein Pressesprecher überzeugte ihn gerade noch, nicht nebenbei Rudolf Heß' Begnadigung zu fordern. Die intellektuelle Geistesschlacht namens Historikerstreit trug anschließend nur wenig zum kollektiven Geschichtsbewusstsein bei, außer an den Universitäten.

Ein Feier- und Gedenktag zum Tag der Befreiung

Einzelne Bundesländer führten zuletzt doch noch Gedenktage ein, Berlin im Jahr 2020 sogar einen einmaligen Feiertag zum 75. Jahrestag des Kriegsendes. Ein Zufall, dass „Tag der Befreiung“ gerade in diesen Ländern immer häufiger gesucht wird?

Fest steht, dass es endlich einen bundesweiten Feiertag braucht, an dem wir gedenken und die Befreiung der Menschheit vom nationalsozialistischen Regime feiern. Denn bis wir nicht geklärt haben, was der 8. Mai für uns alle bedeutet, kann niemand sagen: Wir haben aus der Geschichte gelernt.

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