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: Ins Dunklere gehende Bilder

Zeros and Ones (D/USA/UK/I, Regie: Abel Ferrara). Die DVD ist ab rund 10 Euro im Handel erhältlich.

Finster liegen die Straßen und Gassen der Ewigen Stadt, schlierig, nur in Dunkelstufen ahn- und erkennbar sind Roms historische Attraktionen: Im Hintergrund leuchtet sehr matt Oranges im Schwarzen, das Kolosseum, die Engelsburg ist später zu sehen. Aber der nächtliche Petersdom, der fliegt in die Luft. Die Bilder von Sean Price Williams sind rücksichtslose Digitalpoesie.

Im Dunkel unterwegs ist ein Mann, US-Bürger, Soldat in wessen Namen und Auftrag auch immer, er trägt die Hundemarken des Militärs um den Hals. Gespielt von Ethan Hawke, mit Pferdeschwanz und schütterem Bart, die Waffe in der Hand; das ist J. J., er hat einen Bruder, Justin, der als Kommunist im Widerstand ist, er wird von Schurken gefangen gehalten und womöglich erschossen. J. J. trägt Tarnkleidung und Revolver, aber auch eine Kamera, als wäre sie eine Waffe, diese noch einmal ins Dunklere, ins beinahe Abstrakte oder in Richtung Wärmekamera gehenden Bilder sind manchmal das, was wir sehen. Sie fühlen sich oft genug an, als würden sie direkt aus den Albträumen des Regisseurs oder des Protagonisten oder schlicht unserer Gegenwart übertragen. (Weil auch schurkische Russen agieren und der Film von 2021 stammt, kommt er vielleicht sogar aus der Zukunft.)

Fetzen einer Geschichte

„Zeros and Ones“ bietet nicht mehr als Fetzen einer Geschichte. Wer mit welchen Absichten hier wen umbringen und was in die Luft sprengen will, ist schwer zu ergründen. Das ist auch nicht der Punkt. Auch Spannung kann und soll nicht entstehen. Im verzweifelten Versuch, diesen grandios unverkäuflichen Film an die Leute zu bringen, suggeriert das DVD-Cover, man habe es mit einem Thriller zu tun. Thriller-Elemente sind auch vorhanden: Von Gewalt bis zur Folter (Content Warning: Waterboarding), Femme Fatales und Finstermänner, Hinrichtung, Terror, es bleibt nicht bei dem einen Attentat im Petersdom. Nur liegen die Elemente, als hätte Regisseur Ferrara seinen Thriller selbst in die Luft jagen wollen, zerfetzt und zerstreut, alle Sehenswürdigkeiten verfinstert, in Trümmern, mit Blut und Tagesresten vermischt. „Zeros and Ones“ ist im ersten Pandemie­jahr gedreht, Menschen desinfizieren sich die Hände, davon Close-ups im Dunkel, sie tragen Masken, Terror-Plot und Drehrealität ineinandergewirkt, in einer fast komischen Szene werden Dollarscheine bei der Übergabe sorgfältig desinfiziert.

Drohend, pochend, immer am Rand eines Ausbruchs, der niemals erfolgt, die sparsam instrumentierte Musik von Blues-Rocker Joe Delia, der lange Jahre, vom Inkognito-Porno-Debüt „9 Lives of a Wet Pussy“ an, die Soundtracks zu Ferrara-Filmen komponierte. Zum Beispiel auch zum schmuddeligen „The Driller Killer“ (1979), an den „Zeros and Ones“ bisweilen erinnert. Dann eine Pause, seit ein paar Filmen ist er wieder zurück. Ferrara selbst, nun über 70, lebt zwar seit Jahren in Rom, mit seinen radikal kryptischen und/oder persönlichen, mit kleinem Budget gedrehten jüngeren Werken schließt sich, wie es scheint, ein Kreis zu den Anfängen in New York.

Aus der tiefsten Nacht geht es im Finale per Drohnenflug in die Höhe: Himmel und Alltag. Es wäre sicher zu viel gesagt, dass das Gute gesiegt hat. Immerhin: Es ward dann wieder Licht. Und dann ist der Albtraum noch einmal anders gerahmt. Ethan Hawke tritt, im Vorspann und auch im Abspann, aus seiner Rolle und beschwört die Vision seines Regisseurs. Er habe sich Ferrara anvertraut, obwohl er vom Drehbuch („nicht das richtige Wort“) gar nichts verstand. Seine existenzialistische Deutung des Geschehens mag Geschmackssache sein. An der erschütternden Wirkung des Films ändert sie so oder so nichts. Ekkehard Knörer