„Wir sind das erste uruguayische Medium bei Tiktok“

Zum 20. Geburtstag der taz-Genossenschaft spendeten taz-Genoss*innen 73.928 Euro für vier genossenschaftlich organisierte Zeitungen. Die 2006 gegründete uruguayische la diaria war eine davon. Wie geht es ihr heute?

Foto: Donata Kindesperk

Natalia Uval, 40, ist seit März 2021 Chefredakteurin von la diaria. Sie ist von Anfang an dabei: Seit der Gründung der genossenschaftlich organisierten Zeitung 2006 arbeitete sie als Redakteurin für Politik, Meinung und Investigatives.

Interview Katharina Schipkowski

taz: Frau Uval, wie geht es la Diaria nach zwei Jahren Pandemie?

Natalia Uval: Es geht uns gut, wir sind in den letzten zwei Jahren stark gewachsen und konnten neue Le­se­r*in­nen gewinnen. Der Anfang der Pandemie fiel mit einem Regierungswechsel in Uruguay zusammen – vom linken Bündnis Frente Amplio zu einer Konservativ-Rechtsextremen Koalition. Da war das Informationsbedürfnis der Menschen hoch.

Steigt auch die Auflage der gedruckten Zeitung?

2021 stagnierte das Wachstum der Papierausgabe, während die digitale Auflage weiter wächst. Aber wir haben neue Produkte aus Papier ins Leben gerufen, zum Beispiel geben wir seit März 2022 die uruguayische Version von Le Monde Diplomatique heraus. Seit einem Jahr veröffentlichen wir außerdem das monatlich gedruckte Kinder-Magazin Gigantes.

Klingt nicht so, als würde la Diaria in absehbarer Zeit das Papier einstellen. Für die taz hingegen ist das ja eine ökonomische Notwendigkeit. Wie schaffen Sie es, weiter zu drucken?

Wir wollen das Papier behalten so lange es geht. Obwohl die Zahl der digitalen Abon­nen­t*in­nen die der Print-Leser*innen übersteigt, sind unsere Einnahmen aus beiden Quellen gleich hoch. Wir haben die Besonderheit, dass wir das Papierprodukt selbst ausliefern. Wenn weniger Menschen das Papier lesen, wird die Zustellung günstiger und nicht wie bei der taz teurer.

Bereiten Sie sich trotzdem auf einen Moment vor, an dem es keine gedruckte la Diaria mehr geben wird?

Es ist ein natürlicher Prozess, dass die Menschen mit der Zeit mehr digital und weniger Papier lesen wollen. Wir richten unseren Fokus auf das Digitale und arbeiten permanent an neuen online-Veröffentlichungen. Die Hälfte unserer online-Leser*innen abonnieren unsere thematischen Newsletter, zum Beispiel zu Feminismus, Gesundheit, Wissenschaft, Bildung, im letzten Jahr kam Klima dazu. Seit 2021 haben wir eine tägliche Live-Sendung auf Instagram. Und wir sind das erste uruguayische Medium bei TikTok.

Wie stark hat die ökonomische Krise infolge der Covid-Pandemie Uruguay getroffen?

Im ersten Jahr der Pandemie ist die Wirtschaft stark abgestürzt und die Armut gestiegen. 2021 ist das Bruttoinlandsprodukt wieder leicht gestiegen, das wird auch für dieses Jahr erwartet. Aber da geht es mehr um die großen Wirtschaftssektoren. Was bei den Menschen ankommt, ist weniger Gehalt, weniger Kaufkraft, weniger Rente und höhere Preise. Die große Mehrheit der Bevölkerung durchlebt eine ökonomische Krise, obwohl das Land nicht in einer Krise ist, sondern die Wirtschaft wächst.

Dann liegt es nicht an der Gesundheitskrise, sondern an der neuen Regierung.

Die hat zumindest viel dafür getan, dass die Löhne zugunsten von mehr Arbeitsplätzen sinken und das auch explizit als Ziel formuliert.

Die Regierung unter dem konservativen Präsidenten Luis Lacalle Pou ist jetzt seit zwei Jahren im Amt. Wie fällt die Bilanz aus?

Obwohl sich der ökonomische und soziale Status der meisten Menschen verschlechtert hat, ist Lacalle Pou in Umfragen sehr beliebt. Uruguay ist gut durch die Coronakrise gekommen, das rechnen ihm die Menschen positiv an. Außerdem ist die Ökonomie nicht so stark abgeschmiert wie in Argentinien.