Inklusion an Berliner Schulen: Immer noch eine exklusive Sache

Ein Berliner Bündnis fürchtet Mittelkürzungen im Haushalt. Am Donnerstag ist eine Protestkundgebung vor der Bildungsverwaltung geplant.

Viele Schulen in Berlin sind nicht barrierefrei Foto: picture alliance / Maurizio Gambarini/dpa | Maurizio Gambarini

BERLIN taz | Ein breites Bündnis aus Eltern, Verbänden und der Politik kritisiert die Umsetzung der Inklusion an den Berliner Schulen und befürchtet weitere Einschnitte in den laufenden Haushaltsverhandlungen. In einem offenen Brief an die Senatsverwaltung für Bildung sprechen die Initiator*innen, darunter auch der Landeselternausschuss und die Landesarbeitsgemeinschaft Schule der Berliner Linken, von einem „dringenden und vor allem zeitnahen Gesprächs- und Aufklärungsbedarf“.

In dem Protestbrief bezieht sich das Berliner Bündnis für schulische Inklusion am ­Dienstag unter anderem auf eine Antwort der Verwaltung auf eine parlamentarische Anfrage der Linken-Abgeordneten Franziska Brychy, die sich nach dem Versorgungsgrad mit Lehr­kräften an den Berliner Schulen erkundigt hatte. ­Bildungsstaatssekretär Alexander Slotty sieht darin in Zukunft keinen personellen Mehrbedarf für die Inklusion, die sei in Berlin „für die Grundstufe bereits vollständig umgesetzt“.

Das ist vielleicht nur etwas flüchtig formuliert in der Antwort des Staatssekretärs – denn tatsächlich wähnt sich die rot-grün-rote Landesregierung in ihrem Koalitionsvertrag in puncto Inklusion durchaus noch nicht am Ziel: Da sollen zum Beispiel die Ausbildungskapazitäten für Unterrichtshilfen und Schulassistenzen erweitert werden; mehr Schul­psy­cho­lo­g*in­nen soll es auch geben.

Doch genau da sieht das Bündnis nun dringend Handlungsbedarf. Nicht aufzufinden im Haushaltsentwurf für die Jahre 2022/23, der derzeit im Parlament beraten wird, sei zum Beispiel das Sonderprogramm „Beste (Lehrkräfte-)Bildung“, sagt Anne Lautsch vom Inklusions-Bündnis.

Finanzierungslücke für 2022/23?

Stimmt nicht, widerspricht ein Sprecher der Bildungsverwaltung: Die Mittel würden „nicht gesondert abgebildet“, weil sie Teil der „Regelfinanzierung in den kommenden Hochschulverträgen“ sein sollen: „Die Maßnahmen des Sonderprogramms werden also fortgesetzt.“ Allerdings, darauf weist wiederum die Bür­ge­r*in­nen­in­itia­ti­ve „Schule muss anders“ hin, werden die neuen Hochschulverträge erst ab 2024 in Kraft treten. „Es gibt also eine Finanzierungslücke für dieses und das kommende Jahr“, sagt Initiativensprecher Philipp Dehne.

Den Etat für pädagogische Unterrichtshilfen von knapp 1,3 Millionen Euro für 2022/23 nehme man zwar zur Kenntnis, sagt Maike Dieckmann vom Inklusions-Bündnis. Allerdings löse das alleine nicht das massive grundsätzliche Personalproblem an den Schulen.

Ihrer Erfahrung nach scheitere die Inklusion in der Praxis vor allem daran, dass die Schulen weder Personal noch Räume hätten, um für Kinder mit besonderem Förderbedarf – zum Beispiel Autismus – kleinere Klassen möglich zu machen.

„Also wählen dann viele Eltern doch wieder die Förderschule für ihr Kind, weil sie alles andere ihrem Kind nicht zumuten wollen“, sagt Dieckmann. Laut dem Bündnis gebe es davon in Berlin 60 Standorte. „Obwohl es inzwischen das Recht auf eine wohnortnahe Regelschule für jedes Kind gibt“, betont Dieckmann. Auch der Denkmalschutz sei bei vielen Schulen eine Hürde – in vielen alten Schulgebäuden dürften etwa keine Aufzüge nachträglich eingebaut werden.

Am Donnerstag plant das Bündnis aus Anlass des Europäischen Protesttags zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung am 5. Mai am Nachmittag ab 14 Uhr eine Protestaktion vor der Senatsbildungsverwaltung am Alexanderplatz.

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