Wider die Verzwergung

Werder Bremen kehrt zurück in die Fußball-Bundesliga, doch die Hansestädter wissen, dass es schwierig wird für sie im Oberhaus

Grün-Weiße außer Rand und Band: Platzsturm in Bremen Foto: imago

Aus Bremen Frank Hellmann

Auch noch am Montagmorgen dröhnte es im Stakkato „Werder“ von der einen und „Bremen“ von der anderen Seite. Nur wechselte der Sprechgesang nicht mehr im Weserstadion von Ost- zu Westkurve, sondern lediglich an zwei Tresen der Bierkneipe „Gleis 11“ im Hauptbahnhof. Einige Enthusiasten hatten nach dem direkten Wiederaufstieg des SV Werder die komplette Nacht durchgehalten. Ganz nach der Vorgabe, die Kapitän Ömer Top­rak am Sonntag vor einer Fahrt der Aufstiegshelden im offenen Bus ausgegeben hatte. „Heute Abend wird gefeiert bis zum Morgen. Da schläft keiner und wenn einer schläft, dann wecke ich den auf.“ Beim Double 2004 war in der Hansestadt nicht viel weniger los.

Fans wie Profis sei der Ausnahmezustand erlaubt. Alle, die beim SV Werder in der Verantwortung stehen, haben gewusst, was eine weitere Ehrenrunde in der Zweitklassigkeit bedeutet hätte. Eine Verzwergung, wie sie der 1. FC Nürnberg oder Hannover 96 schon hinter sich haben. Auch deshalb kullerten Clemens Fritz, Leiter der Lizenzspielerabteilung, Tränen über die Wangen. Nur einer blieb in dem emotionalen Wirrwarr mitsamt Platzsturm erstaunlich gelassen: Ole Werner zog selbst inmitten einer Bierdusche noch ein typisch norddeutsch-nüchternes Fazit. Der 34-Jährige sprach von „einer außergewöhnlichen Leistung, einer außergewöhnlichen Geschichte, einem außergewöhnlichen Moment“, doch perlten die Gefühle anscheinend genauso von ihm ab wie die über ihn vergossenen Kaltgetränke.

Erst im von Fernsehmoderator und Stadionsprecher Arnd Zeigler geführten Talk mit Vorstandschef Klaus Filbry taute auch der Cheftrainer auf – und zog sogleich Vorgänger Markus Anfang in die Gesamtbetrachtung ein. Dessen gefälschter Impfpass (Filbry: „Er ist für sich selbst falsch abgebogen“) stellte den Klub zwar vor eine Zerreißprobe, ermöglichte aber erst Werners Verpflichtung. Dass er und Werder zusammenfanden, war also irgendwie Zufall – aber im Nachhinein ein Glücksfall. Die Grundlage für die grün-weiße Wiedergeburt.

„In allem, was Ole als Mensch verkörpert und wie er Fußball spielen lassen will“, lobte Filbry, „ist er für uns der Richtige. Da hat er von A bis Z unter Beweis gestellt.“ Bei Werners Amtsantritt war Werder Zehnter. 20 Punkte nach 15 Spieltagen. Die Abstiegszone näher als die Aufstiegsplätze. Doch ohne großes Gewese schweißte dieser im Kopf sehr klare Fußballlehrer, von dem übrigens auch DFB-Chefausbilder Daniel Niedzkowski schwärmt, das Team zusammen. Filbry: „Nicht so viel schnacken, einfach machen – das ist es, was Bremen braucht.“ Der Boss hofft nur, „dass das der letzte Aufstieg ist, den wir mit Werder Bremen feiern, weil wir in der Ersten Liga bleiben“.

Das erinnerte an jene Aussage von Geschäftsführer Frank Baumann aus dem Mai 2016, als der zu seinem Amtsantritt sagte, es könne nicht Anspruch dieses stolzen Traditionsvereins sein, den Klassenerhalt wie einen Europapokalsieg zu feiern. Damals hatten die Hanseaten in letzter Minute die Frankfurter Eintracht in die Relegation geschickt. Aber vielleicht müssen die Bremer damit leben, dass sie ein Dasein zwischen Hoffen und Bangen führen müssen. Werner kündigte zwar an, auch in der Bundesliga versuchen zu wollen, „Werder-Bremen-Fußball zu bieten, aber bei der Qualität der Gegner werden wir häufiger in der Underdog-Rolle sein“. Da ahnt einer, was kommt.