Toter Wald in Niedersachsen: Geld oder Leben

Wegen des Klimawandels und der Schäden am Wald fordern Waldbesitzer Milliarden vom Bund. Bei der Aufforstung drohen alte Fehler wiederholt zu werden.

Wanderer in einem Wald aus toten Stämmen auf dem Brocken im Harz.

Nicht schön, aber ökologisch wertvoll: Wald aus toten Stämmen, hier auf dem Brocken im Harz Foto: Matthias Bein/dpa

HAMBURG taz | Die Katastrophe ist da und alle wollen Geld. Riesige Wälder sind in den vergangenen Jahren der Trockenheit, dem Borkenkäfer und den Winterstürmen zum Opfer gefallen. „Wir reden von einem materiellen Schaden in Höhe von 12,5 Milliarden Euro, verteilt über drei Krisenjahre“, sagte der Präsident des Deutschen Forstwirtschaftsrates, Georg Schirmbeck, vor der Sonder-Agrarministerkonferenz zum Thema Wald am Montag in Osnabrück.

Beim jetzt anstehenden klimagerechten Umbau des Waldes müsse der Bund die Waldbesitzer unterstützen, forderte er gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung. Ins gleiche Horn stieß Niedersachsens Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU). Der Waldbesitzerverband Niedersachsen möchte, dass seine Mitglieder für Leistungen des Waldes für das Ökosystem künftig entlohnt und weniger durch den Naturschutz belästigt werden. Unter anderem sollen mehr Windräder im Wald errichtet werden dürfen.

Bei den niedersächsischen Umweltverbänden BUND, Nabu und der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW) stoßen solche Pläne auf Unverständnis. „Ein Schutz der Wälder ist angesichts des Klimawandels umso dringlicher“, sagte der Nabu-Landesvorsitzende Holger Buschmann. In der Hälfte aller Wälder Windräder zuzulassen, werde die Wälder weiter destabilisieren und sei deshalb unverantwortlich. „Jetzt auch noch in die Natur reinzurücken, nur weil die Menschen die Windräder nicht vor ihrer Haustür haben wollen – das kann es nicht sein“, sagt Tonja Mannstedt, Pressesprecherin des BUND Niedersachsen.

Dazu kommt die Sorge, dass der Waldumbau, wie ihn sich organisierte Waldbesitzer und das Land vorstellen, zwar teuer ist, aber den Problemen nicht sinnvoll begegnet. „Was am Boden liegt, sind Fichtenplantagen“, sagt Karl-Friedrich Weber, Präsident der Stiftung Naturlandschaft. Solche auf schnellen Profit angelegten Schläge seien per se nicht stabil, ihre Zerstörung durch die drei trockenen Sommer lediglich beschleunigt worden.

Ein Wald ohne Kahlschläge

Der pensionierte Forstingenieur Weber stand 46 Jahre in den Diensten des Landes Niedersachsen und engagiert sich im Rahmen verschiedener Organisationen für naturnahe Waldbewirtschaftung. Er befürchtet, dass bei der jetzt geplanten klimagerechten Aufforstung die gleichen Fehler gemacht werden wie früher: Dass kein echter Mischwald angelegt wird, kein Wald mit mehreren Generationen an Bäumen, kein Wald mit tatsächlich passenden Arten.

Auf den ersten Blick sehen die Voraussetzungen in Niedersachsen gut aus. 1991 hat die damalige rot-grüne Landesregierung unter Ministerpräsident Gerhard Schröder und Umweltministerin Monika Griefahn (beide SPD) das Programm „Langfristige Ökologische Waldentwicklung in den Niedersächsischen Landesforsten (Löwe)“ aufgelegt, zu dessen 13 Grundsätzen ökologischer Waldschutz und die Bevorzugung natürlicher Waldverjüngung gehört.

„Die Idee von Löwe war die Umwandlung der Wälder zu einem Dauerwald“, sagt Weber. Das wäre ein Wald, in dem es keine Kahlschläge gäbe, die dann wieder mit einem Jahrgang aufgeforstet werden, sondern einer, der immer weiter wachsen darf, und dem gezielt und schonend einzelne wertvolle Bäume entnommen werden. Diesem Anspruch würden die niedersächsischen Wälder aber nicht gerecht.

Das Ziel des Löwe-Programms sei die „Entwicklung vielfältiger, stabiler und strukturreicher Mischbestände – die auch in Bezug auf den Waldschutz allgemein von Vorteil sind“, teilen die Landesforsten mit. Weil aber auch die Versorgung mit Rohholz sichergestellt werden müsse, würden an passenden Standorten weiterhin Fichten angebaut. Um die Fichtenschläge vor massenhaft auftretenden Borkenkäfern zu schützen, sei wiederum die „saubere Waldwirtschaft“ vorrangige und unverzichtbare Methode. Das heißt, der Wald wird vom toten Holz befreit, das der Käfer besonders gerne frisst.

Im Schatten der toten Bäume

Doch die verrottenden Zweige, Äste und Stämme sind aus ökologischer Sicht wichtig, wie Weber schildert. Sie kühlen den Boden, nehmen Feuchtigkeit auf, halten Nährstoffe vor und schützen nachwachsende Pflanzen vor Verbiss. Das schafft die Voraussetzung dafür, dass der Wald von selbst nachwachsen kann – aus Sicht von Weber die beste Methode, gerade auch dem Klimawandel die Stirn zu bieten.

Wenn der Wald sich selbst verjünge, setzten sich am ehesten die Baumarten durch, die zugleich zum Standort passten und mit dem Klimawandel zurechtkämen. Man müsse zuerst beobachten, was im Schatten der toten Bäume hochkäme, und könne diesen Prozess dann durch Pflanzen entsprechender Arten verstärken. „Es ist ein Irrglaube, dass wir über die ökologischen Eigenschaften einzelner Baum­arten Bescheid wissen“, sagt Weber.

So könne es zu fatalen Fehlern bei der gezielten Anpassung an den Klimawandel kommen, für die etwa die aus Amerika stammende Dou­glasie im Gespräch ist. Die Douglasie komme zwar selbst gut mit Trockenheit zurecht, sagt Weber. Doch sie lasse auch kaum Niederschläge auf den Waldboden durch, sodass sie andere Bäume aus Mischwäldern verdränge. Sein Fazit: „Die Kunst des Unterlassens, die ja auch Geld spart, findet nicht statt.“

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