Landtagswahlen, AfD und ESC: Sondierend wie der Kanzler

Unsere Verteidigungsministerin betreibt Kinderbetreuung hoch oben in den Wolken, der Planet überhitzt und Eier fliegen gegen Politikerinnen.

Verteidigungsministerin Christine Lambrecht bei der Bundespressekonferenz

Shitstorm für Verteidigungsministerin Christine Lambrecht Foto: Felix Zahn/photothek/imago

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch: Während ich schreibe, wählt NRW noch: zu früh.

Und was wird in dieser besser?

Wahlergebnis ’ne Woche alt: zu spät.

Erst Franziska Giffey am 1. Mai in Berlin, jetzt Annalena Baerbock auf einer Wahlkampfveranstaltung in Wuppertal: Eier auf Politikerinnen zu werfen, wird scheinbar immer beliebter. Wen hätten Sie gerne diese Woche mit Eiern beworfen?

Nur wirklich gute Freunde. Fischers Farbbeutel übertünchte seine Wende zum Krieg, Kohls Wrestlingshow in Halle die welkenden Landschaften. Dann stürzen Bodyguards herbei und schubsen die Märtyrer in Mehrtürer. Im Ergebnis sind die Anliegen – Friede, Freude, Eierwerfen – blamiert und die Beworfenen fein raus. Um Schock und Schreck sind sie nicht zu beneiden. Aber richtig böse wären Sprechchöre wie „Unsere Eier kriegt ihr nicht“.

Die AfD fliegt in Schleswig-Holstein aus dem Landtag. Innerhalb der Partei diskutiert man nun über eine mögliche Neuausrichtung. Welche Orientierungshilfe braucht die Partei jetzt Ihrer Meinung nach?

Man verehrt alte Nazikumpel, pöbelt demokratische Würdenträger an und bellt, die Linken mögen doch mal die Klappe halten: Hoppla, Ukraines Botschafter Andrij Melnyk würde als Ein-Mann-AfD durchgehen. Wenn da nicht deren abgründige Verliebtheit in das russische Regime wäre. An dieser Bruchkante taumelt die Partei. Im Osten eher immer noch unterwegs auf der Straße der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft, im Westen mit Neigung zum grundsympathischen Nationalismus der Ukraine. Im Angesicht von Kriegsflüchtlingen zieht Fremdenfeindlichkeit nicht, die dämonische „Impfpflicht“ ist abgeräumt. Bleibt das alte NPD-Ticket als nationalistische SPD. Oder radikalisierte FDP. Wären das Chemikalien, wollte man ihre Reaktion nicht riechen müssen.

Verteidigungsministerin Christine Lambrecht hat ihren Sohn wohl mehrmals im Regierungshubschrauber mitfliegen lassen. Illegal ist das nicht. Die Kosten hat sie schließlich selbst übernommen. Trotzdem ein Skandal?

Lambrecht ist für die SPD, was Loriots „Familien-Allzweck-Verwender“ am nächsten kommt: In der GroKo amtierte sie gegen Ende für Frauen, Familie, Jugend, Senioren, Justiz, Verbraucher und baldigen Abschied in die Rente. Dann überraschend im fortgeschrittenen Alter – die Einberufung. Und nun die große Tauglichkeitsdebatte. Die erreicht aus dem Stand 10 von 10 Bobbycars in der großen Christian-Wulff-Skala: Journalistinnen bemühen da sexistische Klischee vom „Muttersöhnchen“, Kanzler Scholz schickt eine WDR-Interviewerin charmant in die 50er, als sie ihm Lambrechts High Heels vorhält. Die Ministerin verkörpert, höflich gesagt: ungeschickt, den, höflich gesagt: sondierenden, Stil des Kanzlers. Über ihr ein strackzimmermannförmiger Nebel karlauterbachischer Düsternis. Wenn der Liebling der Massen es dann wird, ruft irgendwer als Erster: Die Neue hat ja gar keine Kleider an! Und keinen Helm auf.

Schon 2026 könnte es so weit sein, warnt die UN-Weltwetterorganisation: Die weltweite Erwärmung könnte erstmals mehr als 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau liegen. Ist Ihnen schon warm?

Ich weiß nicht, ob ich diesen Traumfrühling surreal finde wegen des Krieges nebenan oder weil er Teil der Klimakatastrophe ist. Früher dankte man dem Herrn, heute entschuldige ich mich bei meinen Kindern.

Die Ukraine hat den Gas­transit aus Russland nach Deutschland teilweise gestoppt. Digitalminister Volker Wissing weiß: weniger Essenbilder ins Internet stellen und schon haben wir unseren Energieverbrauch reduziert. Aber kommen wir klar mit so viel Verzicht?

Der offenbar kriegsbedingte Ausfall macht weniger als 2 Prozent des deutschen Gasimports aus, Nord Stream 1 und Jamal fangen das auf. Man kann das Thema vertiefen, wenn man Gerhard Schröder lachen hören möchte.

Wie jedes Jahr stellen wir Ihnen erneut diese Frage: Eurovision Song Contest schauen – hat es sich gelohnt?

Advocatus Diaboli: Wenn man in dieser verwirrenden Zeit mediale Angebote konsumiert, erschüttert es zwischendurch immer mal zu fragen: Was hätte der Nato-Pressestab hier anders gemacht?

Und was machen die Borussen?

Entrollen Mitte der ersten Halbzeit ein Banner zu Ehren des 40 Kilometer weiter westlich soeben aufgestiegenen Viertligisten Rot-Weiss Essen. Noch freuen sie sich. Na warte.

Fragen: Ruth Lang Fuentes

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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