Karlsruhe zur Impfpflicht in der Pflege: Der gerechtfertigte Piks

Es bleibt dabei: Wer in Kliniken und Heimen arbeiten will, muss geimpft sein. Eine entsprechende Beschwerde lehnten die Karlsruher Rich­te­r:in­nen ab.

Eine Spritze zur Corona-Impfung.

Beschlossen: Die Impfpflicht für Krankenhauspersonal verstößt nicht gegen das Grundgesetz Foto: Moritz Frankenberg/dpa

FREIBURG taz | Die spezielle Corona-Impfpflicht für die Beschäftigten im Pflege- und Gesundheitswesen verstößt nicht gegen das Grundgesetz. Das entschied nun das Bundesverfassungsgericht.

Der Bundestag hatte die „einrichtungsbezogene“ Impfpflicht im letzten Dezember beschlossen. Bis zum 15. März mussten die Beschäftigten von Pflegeheimen, Krankenhäusern und Arztpraxen nachweisen, dass sie entweder doppelt geimpft wurden oder in den letzten 90 Tagen von einer Corona-Infektion genesen sind.

Dagegen erhoben 54 Beschäftigte, die sich nicht impfen lassen wollen, Verfassungsbeschwerde. Zunächst versuchten sie, das Inkrafttreten des Gesetzes zu verhindern. Doch einen Eilantrag der Gruppe lehnte Karlsruhe schon im Februar ab. Nun wiesen die Ver­fas­sungs­rich­te­r:in­nen die Klage auch in der Hauptsache zurück. Der ausführliche Beschluss des Gerichts hat 85 Seiten.

Darin wird anerkannt, dass die Impfpflicht einen „erheblichen Eingriff“ in die körperliche Unversehrtheit der Betroffenen darstellt. Neben dem Pieks könne es „sehr selten“ auch zu gravierenden Nebenwirkungen kommen, in „extremen Ausnahmefällen“ sogar zum Tod der geimpften Person. Es werde zwar niemand zwangs-geimpft, aber Ärz­t:in­nen und Pfle­ge­r:in­nen könnten nicht mehr in ihrem Beruf arbeiten, was einen starken „mittelbaren“ Druck aufbaue.

Bisher wird die Pflicht ohnehin kaum durchgesetzt

Der Eingriff sei allerdings gerechtfertigt, so die Verfassungsrichter:innen. In der Abwägung habe der Schutz vulnerabler Personen, also von Pflegebedürftigen und Kranken, Vorrang vor einer freien Impfentscheidung. Die Pflege- und Gesundheitsimpfpflicht sei auch geeignet und erforderlich, den Schutz im Pflege- und Gesundheitswesen zu verbessern, auch wenn die Impfung gegen die Omikron-Variante nicht so effizient wirke wie gegen die vorherige Delta-Variante. Tägliche PCR-Tests der Beschäftigten seien kein gleich geeignetes milderes Mittel. Auf Dauer seien ständige PCR-Tests nämlich zu teuer, auch sei die Laborkapazität begrenzt, argumentierten die Richter:innen.

Selbst bei Verwaltungs-, Reinigungs- und Küchenpersonal, das kaum Kontakt mit den Alten und Kranken habe, sei die Impfpflicht gerechtfertigt, so Karlsruhe. Denn hier wiege auch der Eingriff nicht so schwer: wer sich nicht impfen lassen wolle, könne ja in einer anderen Branche verwalten, putzen oder kochen.

Wie geht es nun weiter? Allein in Baden-Württemberg wurden den Gesundheitsämtern im April rund 32.000 nicht immunisierte Beschäftigte gemeldet. Allerdings wurde von den Gesundheitsämtern bisher wohl noch kein einziges Beschäftigungsverbot ausgesprochen.

Zunächst werden die Betroffenen von den Ämtern noch einmal ermahnt, sich impfen zu lassen. Wenn sie nicht nachgeben, werden sie angehört, ebenso ihr Arbeitgeber. Das alles dauert Wochen. Am Ende muss das Gesundheitsamt im Einzelfall abwägen, ob es Betätigungsverbote ausspricht oder ob es darauf verzichtet, weil sonst das Personal in der Einrichtung knapp wird. Bis dahin arbeiten die Ungeimpften weiter mit den vulnerablen Personen.

Die Impfpflicht gilt auch nur für die Beschäftigten der Einrichtungen. Für Alte und Kranke gilt keine Impfpflicht, obwohl diese sich auch gegenseitig anstecken können. Im Bundestag fand Anfang April jedoch der Vorschlag einer Impfpflicht für alle Personen über 60 Jahre keine Mehrheit.

Dabei hat die Ständige Impfkommission (StiKo) Anfang Februar für Personen ab 70 Jahren bereits die vierte Impfung (das heißt die zweiter Booster-Impfung) empfohlen. Diskutiert wird derzeit, ob die Empfehlung auf Personen ab 60 Jahren erweitert wird.

(Az.: 1 BvR 2649/21)

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