Umstrittene Kohle aus Kolumbien: Auf dem Rücken der Indigenen

Deutschland will weg von fossilen Rohstoffen aus Russland. Doch der Ersatz birgt neue Probleme – wie ein Blick nach Kolumbien zeigt.

Schornsteine eines Kraftwerks in Brandenburg

Kraftwerk in Brandenburg: Bislang kam die Kohle aus Russland, demnächst aus Kolumbien? Foto: dpa

BOGO taz | Die Mitteilung aus dem kolumbianischen Präsidentenpalast war geradezu euphorisch: Kolumbien wolle seine Kohleexporte nach Deutschland erhöhen und es in Sachen Energiesicherheit unterstützen. Das habe ein Telefonat zwischen Kanzler Olaf Scholz und Präsident Iván Duque ergeben.

UmweltschützerInnen und MenschenrechtsaktivistInnen schlugen Alarm. Etwa die Hälfte der importierten Steinkohle in Deutschland stammte bislang aus Russland. Es folgen bis vor dem Krieg mit der Ukraine mit großem Abstand die USA und Australien – dann mit 5 Prozent Anteil Kolumbien. Anders als Gas und Öl lässt sich Russlands Kohle gut ersetzen – unter anderem mit dem fossilen Brennstoff aus Kolumbien. Doch der ist hoch umstritten. AktivistInnen forderten bereits, „Importe kolumbianischer Blutkohle nach Europa“ zu verbieten.

Sie stammt überwiegend aus dem größten Tagebau Lateinamerikas: El Cerrejón heißt die Mine, die seit 2021 vollständig dem multinationalen Glencore-Konzern mit Sitz in der Schweiz gehört. Sie liegt in der Halbwüstenregion La Guajira auf dem Gebiet des indigenen Volks der Wayúu.

„Es ist eine große Enttäuschung, dass Deutschland als Land, das den Kohleausstieg vollzieht, heute wieder Kohle von einer Firma kaufen will, die laut Gerichtsurteilen Menschen-, Umwelt- und Gebietsrechte verletzt hat“, sagt Anwältin Rosa María Mateus vom renommierten Colectivo de Abogados José Alvear Restrepo (Cajar), das die indigenen, afrokolumbianischen und bäuerlichen Gemeinschaften der Region seit Jahren unterstützt.

Fragwürdige Studie

Kurz nach dem Telefonat mit Scholz meldeten Indigenen-Vertreter, sie hätten eine Mail vom Umweltministerium erhalten. Darin ging es um einen Bach namens Bruno. Bergbaufirma und Regierung hätten eine Studie fertiggestellt, die der Umleitung des Bachs grünes Licht erteilt – ohne Beteiligung der Gemeinschaften vor Ort.

Der Bach Bruno ist der größte Zufluss des einzigen Flusses der Region Río Ranchería. 2016 leitete El Cerrejón ihn auf 4 Kilometern Länge um. Das Verfassungsgericht stoppte 2017 den Prozess, weil das Recht auf Wasser, Gesundheit und Ernährungssicherheit der indigenen Gemeinschaften verletzt worden war. Es schrieb eine technische Studie unter Einbeziehung der Indigenen vor, um zu entscheiden, ob der Bach in seinen Ursprungszustand zurückversetzt werden soll.

Indigene fürchten um ihre Wasserquelle

El Cerrejón nennt den künstlichen Bachlauf ein „Vorbild ökologischer Umweltinnovation“. Die Indigenen fürchten dagegen um ihre Wasserquelle: Schon jetzt müssten sie immer tiefer bohren, einige Brunnen seien bereits kontaminiert. Das Wasser des Bachs ist ihnen heilig, es hat spirituelle und kulturelle Bedeutung. „Wenn Deutschland mehr Kohle kauft, wird das die Ausbeutung der Kohle am Bach Bruno beschleunigen“, sagt Anwältin Rosa María Mateus.

„Nach 40 Jahren Ausbeutung sind die Schäden groß, weder Firma noch Staat haben bislang auf die Rufe der Gemeinschaften reagiert“, betont sie. Fortschritt, Entwicklung, Umsiedlung, bessere Arbeitsbedingungen und produktive Projekte seien ihnen versprochen worden. „Bis heute ist das nicht passiert.“ Stattdessen kamen: Vertreibung, Enteignung, Luft- und Wasserverschmutzung und Atemwegserkrankungen, besonders bei Kindern.

„Die Regierung begünstigt die Firma und setzt sich über die Rechte der Arbeiter und der indigenen Gemeinschaften hinweg“, sagt auch Igor Díaz. Er ist Präsident der nationalen Gewerkschaft der Kohleindustrie-Arbeiter. Díaz stammt selbst aus La Guajira – und arbeitet seit 37 Jahren in der Mine.

„El Cerrejón hat die Versprechen gegenüber den Regionen Cesar und La Guajira nicht erfüllt“, betont Díaz. Allerdings habe die Mine Arbeitsplätze gebracht, die dringend nötig seien. Sie gibt 4.500 Menschen direkt, etwa 6.500 indirekt Arbeit. „Es gibt keine Alternativen hier. Viele reden zwar von Wind- und Solarenergie, aber das bringt keine Jobs“, erklärt Díaz.

Deutsche Kohleimporte lässt Gewerkschafter sogar hoffen

Zuletzt hätten sich die Arbeitsbedingungen sogar noch verschlechtert. Glencore mache Druck. Es laufe bereits ein Rechtsstreit, sagt der Gewerkschafter. Löhne wurden gesenkt, Hunderte Stellen gestrichen. „Alles läuft darauf hinaus, mehr mit deutlich weniger Leuten zu produzieren, die weniger Gehalt erhalten und unter schädlicheren Bedingungen arbeiten, um dem internationalen Konzern die Tasche zu füllen.“

Dass Deutschland mehr Kohle will, erfüllt Díaz mit Hoffnung: „Deutschland kann vom Konzern soziale und arbeitsrechtliche Verantwortung einfordern. Diese Firmen sorgen sich darum, was ihre Kunden denken.“ Deutsche Gewerkschaften wie die IG Metall könnten auf den Kunden RWE Druck ausüben, damit sich die Bedingungen für Arbeiter und Gemeinschaften verbessern.

Anwältin Mateus sieht dagegen schwarz: „Diese Hoffnung gibt es schon seit Jahren, aber sie hat sich nicht erfüllt.“

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