Nato-Beitritt Finnlands: Nachdenken? Fehlanzeige

Das Drängen Finnlands in die Nato ist angesichts des Ukrainekriegs verständlich. Nur hat es an einer offenen Debatte über mögliche Risiken gefehlt.

Bewaffnete finnische Soldaten in Tarnfleck

Finnische Soldaten nehmen am 4. Mai 2022 an der Armeeübung Arrow 22 teil Foto: Heikki Saukkomaa/Lehtikuva/ap

Drei Viertel der FinnInnen waren zuletzt für eine Nato-Mitgliedschaft Finnlands, für das sich am Donnerstag nun auch der Staatspräsident und die Regierungschefin des Landes ausgesprochen haben. Eine historische Mehrheit für eine historische Weichenstellung. Vor dem Ukraine­krieg hatte sich nie mehr als ein Fünftel der Bevölkerung für diesen Schritt begeistern können.

Berücksichtigt man, wie lebendig das Trauma der Kriege der Sowjetunion gegen Finnland nach wie vor ist, ist der Meinungsumschwung angesichts der russischen Invasion in der Ukraine verständlich. Und selbst wenn keine Gründe ersichtlich sind, warum Russland Finnland angreifen sollte, musste das Beispiel Ukraine ein Anlass für Überlegungen sein, ob der künftigen Sicherheit Finnlands mit einer Nato-Mitgliedschaft besser gedient ist.

Doch wie sah es mit diesen Überlegungen eigentlich aus? Die anfänglich versprochene Debatte hat es nie gegeben. Es wäre sicherlich falsch gewesen, die Nato-Option überhaupt nicht in Betracht zu ziehen. Aber ist das Gegenteil, nämlich diese sofort zur zwingenden Konsequenz zu erklären, nicht ebenso problematisch? Und genau das ist geschehen.

Angesichts einer geopolitischen Situation, die es schwierig macht, einen klaren Kopf zu behalten und einen weitsichtigen Beschluss zu fassen, wechselte die Regierung, die bei ihrem Amtsantritt versprochen hatte, sich für Abrüstung und ein Atomwaffenverbot starkzumachen, sofort die Spur und erklärte den Nato-Atomwaffenschirm als alternativlos für Finnlands Sicherheit. Zeit zum Nachdenken? Fehlanzeige.

Die bisherige sicherheitspolitische Lage in Nordeuropa und im Ostseeraum wird sich mit den neuen Nato-Mitgliedern Finnland und Schweden erheblich verändern. Die Länge der Grenze, an der sich Nato-Staaten und Russland in Zukunft direkt gegenüberstehen, verdoppelt sich. Das Resultat könnten eine wachsende Instabilität und ein erhöhtes Spannungs­niveau werden. Keine guten Aussichten für Finnland und den Norden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Lebt in Schweden, schreibt seit 1985 für die taz.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.