Diskriminierung von Frauen: Pissen für alle und zwar umsonst

Ab nächstem Frühjahr sollen in Parks 24 ökologische öffentliche Toiletten aufgestellt werden – mit Frauenpissoir. Kosten sollen sie aber weiterhin.

Eine Demonstrantin für gleichberechtigten und kostenlosen Zugang zu öffentlichen Toiletten bei einer Frauentagsveranstaltung in Berlin-Wedding.

Gleichberechtigung hört nicht an der Klotür auf Foto: Stefanie Loos

Jetzt, wo die Tage wieder länger und die Temperaturen immer wärmer werden, zieht es viele Ber­li­ne­r*in­nen in die öffentlichen Parks. Man trifft sich mit Freund*innen, trinkt ein paar Bier oder Limos und spätestens nach ein paar Stunden meldet sich die Blase. Diese zu erleichtern, ist jedoch gar nicht so einfach.

In Berlins Parks sollen ab Frühjahr nächsten Jahres 24 neue, ökologische und gendergerechte öffentliche Toiletten aufgestellt werden. Laut Unterlagen des Hauptausschusses des Abgeordnetenhauses gehören dazu auch Frauenpissoirs. 2,6 Millionen Euro werden dafür bereitgestellt. Ein Jahr lang sollen die Toiletten, zwei pro Bezirk, getestet und bewertet werden. Die Gewinnerin wird wird ab 2024 die bisherigen Toiletten der Wall AG ersetzen. Zurzeit läuft das Vergabeverfahren für die 24 unterschiedlichen Toilettenanlagen. Lena Olvedi, die mit dem „Missoir“, einem wasserlosen Hockurinal, eine frauengerechte Toilette entwickelt hat, will sich ebenfalls bewerben, wie sie der taz sagt. Für die Linke-Abgeordnete Katalin Gennburg sind die Frauenpissoirs jedoch nur ein Teilerfolg. „Öffentliche Toiletten müssen kostenlos sein. Grundbedürfnisse dürfen kein Geld kosten“, sagt sie der taz.

Die Restaurants und Bars rund um die Parks sind von den vielen Klosuchenden derart genervt, dass man dort oft nicht mal gegen Geld die Toi­lette benutzen darf. Einfach ins öffentliche Grün zu pinkeln kommt für viele auch nicht infrage, sei es aus Umweltgründen oder aus Scham – insbesondere für Frauen* ist es wenig attraktiv, am helllichten Tag vor den Augen der Park­be­su­che­r*in­nen blank zu ziehen.

Bleiben also die öffentlichen Toiletten. 418 gibt es davon insgesamt in Berlin, rund 280 davon sind City-Toiletten der Firma Wall. Diese sind allerdings nicht für je­de*n kostenfrei zugänglich. Alle Menschen, die nicht das Pissoir auf der Rückseite der Klohäuschen nutzen können – also schon mal alle Frauen und damit die Hälfte der Ber­li­ne­r*in­nen – müssen 50 Cent pro Klogang zahlen.

Aber Moment mal, ist es nicht illegal, Menschen aufgrund ihres Geschlechts zu benachteiligen? Papperlapapp, sagt die Senatsverwaltung, die Kabinen sind für alle und die Pissoirs für Wildpinkler – und das können, wie allgemein bekannt ist, nur Männer.

Dennoch sollen pünktlich zur Wildpinkelsaison im nächsten Frühjahr neue, gendergerechte und ökologische öffentliche Toiletten aufgestellt werden – und zwar mit Frauenpissoirs. Potzblitz. Bevor die Begeisterung über die Katapultierung des Frauenbilds der Berliner Verwaltung ins 21. Jahrhundert überschäumt: Auch die neuen Klokabinen sollen nach einer einjährigen Testphase Geld kosten.

Die Argumente, warum das so ist, sind so vielfältig wie reaktionär. Meist laufen sie darauf hinaus, Obdachlose und Junkies fernzuhalten. Statt Sozialarbeit oder blauer Anti-Drogen-Beleuchtung bleibt es dabei, fürs Pissen blechen zu müssen. Ein progressiver Umgang mit gesellschaftlichen Problemen sieht wahrlich anders aus.

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Leiterin taz Berlin und Redakteurin für soziale Bewegungen, Migration und soziale Gerechtigkeit. Schreibt in ihrer Kolumne "Pöbelmanie" über Klassenkampf aus der Perspektive eines Kindes der Arbeiter*innenklasse. Hat politische Theorie studiert, ist aber mehr an der Praxis interessiert.

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