Empowerment beim Möbelbauen: Respektvoll handwerken

Besuch in der Berliner Schokowerkstatt, einer offenen Holz-Werkstatt. Die Tisch­le­r*in­nen wollen das cis-männerdominierte Handwerk umbauen.

Illustration einer Schwarzen Person mit lila Haaren, die etwas baut. Um sie herum entstehen regenbogfarbene Strahlen.

Schöner Schreinern ohne Macker Illustration: Sebastian König

BERLIN taz | Charlie und die Schokowerkstatt – dabei handelt es sich nicht um einen Film mit Johnny Depp, sondern um einen Besuch in einer Werkstatt ohne Deppen, die immer noch denken, Handwerk wäre nur etwas für Männer.

Die Schokowerkstatt liegt im Berliner Stadtteil Kreuzberg und ist Teil des­ ältesten Frauen*­-Zen­trums Europas, der Schokofabrik. Das Haus wurde 1981 besetzt und ist heute eine Genoss*innenschaft. Hier finden unterschiedliche Frauen*-Projekte Platz: von Schokosport, über das Frauenkrisentelefon bis hin zum Hamam.

Durch eine Tür im ersten Stock dringt Gehämmer und das leise Dröhnen eines Akku­schraubers. Charlie Walsh, selbstständige Tischlerin im Reisegewerbe und Vorstand des gemeinnützigen Vereins Schokospäne e. V., leitet einen Möbelbau-Workshop an. Im sogenannten Maschinenraum stehen mehrere Werkbänke, eine Kreissäge und andere Holzbearbeitungsmaschinen. An einer Wand hängen Schraubzwingen, im Schrank finden sich Stecheisen und Japansägen, das sind präzise Handsägen.

Die Möbelbau-Workshops finden dreimal in der Woche mit bis zu drei Teil­neh­me­r*in­nen statt. Auch jetzt stehen zwei Frauen an der Werkbank und sägen. Janette (54) und Zoe (18) sind Mutter und Tochter. Sie bauen heute gemeinsam einen Leuchtkasten für Zoe, die gern zeichnet und damit Bilder durchpausen kann. Es ist nicht ihr erstes Projekt hier: „Anfangs haben wir eine Kiste gebaut, um die Basics zu lernen“, erzählt Janette, dann hätten sie sich an einen Küchentisch gewagt und ein Möbel zur Aufbewahrung von Schlüsseln und Briefen entworfen. Zoe ergänzt: „Wir sind hier, weil wir das Tischlern ausprobieren wollten.“

Teil­neh­me­r*in­nen gut angeleitet

Die 18-Jährige ist gerade mit der Schule fertig geworden. „Hier fühl ich mich nicht dumm, wenn ich eine Frage stelle“, die Atmosphäre sei entspannt und angenehm. Die An­lei­te­r*in­nen hätten sie bei jedem Projekt kompetent unterstützt: „Wir haben hier gelernt, wie man die Bohrmaschine benutzt, sägt, schleift, Holzverbindungen herstellt – einfach alles.“

Die Workshops werden vom Berliner Senat subventioniert, die Teil­neh­me­r*in­nen zahlen 15 Euro plus Materialkosten. Nach Bedarf wird auch ein Glas-Workshop angeboten, und einmal im Monat findet das Repaircafé statt, wo kaputte Fahrräder oder Elektrogeräte repariert werden, berichtet Charlie: „Die Motivation der Teilnehmenden ist unterschiedlich: Da gibt es Leute, die wollen eine Ausbildung zur Tisch­le­r*in machen, denen zeigen wir die klassischen Holzverbindungen. Andere kommen, um Möbel zu restaurieren oder bauen ein kleines Werkstück.“

Charlie Walsh hat die Werkstatt erst Anfang 2020 zusammen mit vier anderen Tisch­le­r*in­nen übernommen. Die Grün­de­r*in­nen Uli und Rosie waren nach über 35 Jahren in Rente gegangen. „Seit dem Generationswechsel sind die Holzworkshops nicht nur für Frauen* offen, sondern für FLINTA* (Frauen, Lesben, inter, nonbinary, trans*, agender*; Anm. d. Red.)“, erklärt Charlie.

Respekt für FLINTA* im Handwerk

Gefragt, warum es einen Ort wie diesen braucht, muss Charlie lachen: „Das Handwerk ist immer noch so dominiert von cis-Männern!“ Erst seit 1994 dürften Frauen überhaupt auf Baustellen arbeiten, nur zwei Schächte (Handwerker*innen-Vereinigungen; Anm. d. Red.) nehmen Frauen, die auf die Walz gehen wollen, auf.

„Wir haben einfach alle die gleichen Erfahrungen gemacht: Von cis-Männern als Hand­wer­ke­r*in­nen nicht ernst genommen zu werden, ob in der Werkstatt, beim Kunden oder auf Baustelle.“ Deshalb sei es wichtig, dass es so einen Ort gibt, an dem man nicht infrage gestellt wird. „Die Stimmung ist hier einfach besser und der Umgang miteinander respektvoll.“

Respekt für FLINTA* im Handwerk, auch in Werkstätten und auf Baustellen „da draußen“, das ist ihre Forderung zum 1. Mai.

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Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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