press-schlag
: … und er steht wieder auf

Das Urteil gegen Boris Becker ist nur ein weiteres Kapitel im wilden Leben eines Hasardeurs.

Wer am Boulevard der Eitelkeiten mit einem Fahrstuhl nach oben fährt, der fährt ebendort auch wieder herunter. Das ist eine alte Weisheit, die nicht nur unter Kollegen der Yellow Press gilt. Boris Becker war im Olymp, er war in Sphären, die Normalsterbliche nicht erreichen, er war aber auch in Besenkammern und noch weiter unten unterwegs. Das ist sein Leben, das er sich selbstbestimmt ausgesucht hat: ein wilder Ritt durch die Öffentlichkeit unter ständiger Beobachtung der Paparazzi.

Wie in einem Pumpwerk ging es für Becker in den vergangenen zwanzig, dreißig Jahren hoch und runter. Fast scheint er dieses Auf und Ab zu genießen, denn jene Bewegungen, die bei anderen Schwindel, bei empfindsameren Gemütern vielleicht sogar ein Schleudertrauma verursachten, bestimmen seinen Alltag.

Die lästigen Gesellschaftsfotografen haben den Deutschen, der seinen Landsleuten recht wenig, dem Rest der Welt aber immer noch etwas gilt, vor Verkündung des Strafmaßes wegen Insolvenzverschleppung wieder auf Schritt und Tritt begleitet (Einkauf bei Harrods, Besuch beim Sohn und so weiter). Das ist kaum auszuhalten, aber der mittlerweile 54-Jährige, der einst als Bobbele Kanonier auf dem Tenniscourt war, musste sich nun vorm Crown Court Southwark, also einem Gericht, die Leviten lesen lassen von Richterin Deborah Taylor. Er versuchte sich vor ihr als Naivling zu verkaufen, der Geschäftliches stets in die Hände Dritter gegeben habe. Er zeichnete das Bild eines übertölpelten Opfers, aber selbst jene, die Becker ob seiner beachtlichen Nehmerqualitäten schätzen, die ihn mögen, weil er mit dem Euro­sport-Moderator Matthias Stach so ein kongeniales Duo im Sportfernsehen bildet, kommen nicht umhin, ein Muster der Becker’schen Mauscheleien zu entdecken. In vier von zwanzig Anklagepunkten wurde er von der Jury in London für schuldig gesprochen.

Als privilegierter Sportler und Adabei glaubte Boris Becker offenbar immer, gewisse Sonderrechte zu genießen und mit dieser oder jener unlauteren Masche durchzukommen; zu gern vergaß er, Wohnungen da und dort oder Anlagevermögen zu deklarieren. Für mediales Aufsehen sorgte zuerst seine Steueraffäre, in die er bereits in den 1990er Jahren geraten war.

Im Jahr 2002 endete ein jahrelanges Verfahren beim Münchner Landgericht mit der Verurteilung wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung. Becker hatte Einkommen- und Vermögensteuern in Höhe von 1,7 Millionen Euro hinterzogen. In Konflikt kam er auch mit den französischen Steuerbehörden, die 2004 für nicht ordnungsgemäß versteuerte Preisgelder bei Turnieren in Frankreich 550.000 Euro einforderten.

Er war in Sphären, die Normalsterbliche nicht erreichen, er war aber auch in Besenkammern unterwegs

Ob der Wimbledon-Sieger, der noch im Jahr 2001 über ein Vermögen von 200 Millionen D‑Mark verfügt haben soll, ins Wandsworth Prison zu London muss oder nicht, scheint bei den Volten, die er schlug, schon nicht mehr von Belang. Der Boulevard hat bereits herausgefunden, das Essen dort sei ungenießbarer „Matsch“. Für Boris Becker geht es so oder so weiter: Das Grundlinienduell zwischen dem Promi und der Presse scheint einfach kein Ende zu finden. Die Bälle fliegen mit Schmackes übers Netz.

Wer lässt sich dieses Spektakel schon ­entgehen? Markus Völker