„Wir sagen schon Danke,
wenn uns jemand nicht tötet“

Katja Diehl ist die Stimme der Verkehrswende. Sie berät, twittert, podcastet, schreibt. Ihr Buch heißt genauso wie das Projekt, dem sie sich vollkommen verschrieben hat: „Autokorrektur“

Katja Diehl hasst keine Autos – und auch die Menschen nicht, die sie fahren. Aber lassen sollten sie es doch

Interview Alina Götz
Fotos Miguel Ferraz Araújo

taz am wochenende: Frau Diehl, welche Kindheitserinnerungen haben Sie an den Straßenverkehr?

Katja Diehl: Die ersten Erinnerungen sind aus dem Emsland, also so richtig vom Land. Ich erinnere mich noch sehr gut an den Kirmesplatz in Aschendorf, wo diese komischen Crash-Autos, die immer gegeneinander fahren, aufgetreten sind. An diesem Kirmesplatz habe ich Radfahren gelernt: Ich auf meinem blauen Kalkoff-Rad und Papa lässt hinten los. Wir haben auch viele Radtouren unternommen.

Hatte Ihre Familie damals ein Auto?

In Aschendorf konnte mein Vater zu Fuß zur Arbeit gehen. Meine Mama hat eigentlich alles mit dem Rad gemacht. Wir hatten daher immer nur ein Auto in der Familie. Damit sind wir zum Beispiel zu Verwandten Richtung Harz gefahren. Einmal haben wir den Auspuffkopf verloren. Das hörte sich an wie ein richtig krasser Rennwagen. Ich habe die ganze Fahrt geheult, weil es so laut war, während mein Bruder das total aufregend fand. Ich fand es eher beunruhigend.

Wie haben Sie das Auto als Erwachsene bislang genutzt?

Ich hatte nie ein Auto. Nur in meiner Zeit bei einer Logistikfirma, die von klassischen Landverkehren mit dem Lkw, Über-Nacht-Express bis Luftfracht weltweit tätig war, bin ich einen Dienstwagen gefahren, weil ich die interne Kommunikation gemacht habe und die Firmensitze in Industriegebieten lagen, wo man nicht mit dem Zug hätte hinkommen können. Ein blau-metallic Toyota Corolla, übertrieben motorisiert. Den hatte sich ein Herr vor mir geleistet, der nicht mehr im Unternehmen war. Nicht die schönste Art, Auto zu fahren. Ich hatte immer Zeitdruck, manche Stau-Situationen haben richtig genervt. Es war frustrierend: spät abends nach Hause kommen, keinen Parkplatz finden, aufs Klo müssen, dann eben irgendwie irgendwo einparken – und am nächsten Morgen das Knöllchen, weil ein Reifen nicht richtig auf dem Parkplatz stand. Das Schlimmste war echt, die Karre irgendwo parken zu müssen.

Heute sind Sie eine gefragte Expertin im Bereich Mobilität. Sie schreiben, sprechen, beraten, podcasten; auf Twitter folgen Ihnen fast 40.000 Menschen. Wie kam es dazu, dass das Thema zu Ihrer Leidenschaft wurde?

Bei der Logistikfirma hinter die Kulissen zu gucken, war ein Anfang. Was ist eigentlich Logistik? Was heißt es, über Nacht Express zu fahren? Ich habe seit dieser Zeit Respekt vor diesen Jobs. Dann bin ich zu den Stadtwerken Osnabrück und habe das System Bus und Bahn von innen kennengelernt. Ein System, das sehr stark darauf achtet, inklusiv, barrierearm und bezahlbar zu sein. Die Ungerechtigkeiten im autozentrierten Verkehrssystem, wie Sexismus oder Rassismus, wurden für mich nach und nach sichtbar, je länger ich in der Branche war. Ich habe immer das Gefühl gehabt, es werden Leute vergessen. Natürlich ist unser Verkehrssystem auch im Hinblick auf die Klimakrise nicht zukunftsfähig; der Verkehr verursacht immer noch 20 Prozent der Emissionen.

Wer wird denn beispielsweise vergessen?

Ich habe Freundinnen, die abends nicht mit der U-Bahn fahren. Andere trauen sich mit dem Fahrrad nirgendwo hin, weil es so gefährlich ist. Irgendwann dachte ich: Vielleicht sind die ganzen Vorurteile, die ich Menschen im Auto gegenüber habe, sie seien nur bequem, gar nicht richtig. Vielleicht sind das Menschen, die zwar ein Lenkrad in der Hand halten, aber gar nicht anders können, weil sie keine Alternativen haben, weil sie sich nicht sicher fühlen.

Sie sagen, das Verkehrssystem sei sexistisch, rassistisch, patriarchal, ableistisch – also feindlich gegenüber Menschen mit Behinderung. Woran machen Sie das fest?

90 Prozent der Frauen haben schon sexuelle Übergriffe im öffentlichen Raum erlebt, wozu natürlich öffentliche Verkehrsmittel gehören. Dann geht es weiter mit Menschen, die im Rollstuhl sitzen, die nicht einfach ein Ticket ziehen und in den Zug einsteigen können, sondern sich 14 Tage vorher anmelden müssen und nur fahren dürfen, wenn alle Klos funktionieren und der Hublift auch da ist inklusive Personal. In der Zeit, in der wir über Hyperloop und Flugtaxis reden, kann man diese Probleme nicht lösen? Das finde ich sehr schräg. Auch die neueste ICE-Generation hat Menschen im Rollstuhl vergessen. Das Verkehrsmittel nach Wahl aussuchen, ist ein Privileg.

Sie haben für Ihr Buch „Autokorrektur“, das im Februar erschienen ist, mit Menschen gesprochen, die aufs Auto angewiesen sind.

Auf meinen Twitter-Aufruf haben sich so viele Leute gemeldet, dass ich 60 Interviews geführt habe. Die Dame, die das Projekt beim Fischer-Verlag betreut hat, wurde schon unruhig: Sie wollte, dass ich mit dem Schreiben loslege. Sie ist für das Buch auf mich zugekommen, weil sie meine Hinweise bei Twitter gefolgt spannend fand. Dann dachte ich auch: Es ist mal an der Zeit, das ein bisschen auszuführen. Auch, weil ich immer als die Autohassende falsch gelesen werde.

Sie hassen Autos wirklich nicht?

Ich bin nicht in der Lage, totes Material zu hassen. Ich bin auch nicht in der Lage, Menschen zu hassen, weil ich immer versuche zu verstehen. Das Schlimmste, was man den Menschen und Dingen gegenüber empfinden kann, ist, dass es egal ist. Ich selber nutze das Auto ja auch. Zu Beginn der Pandemie, als die Ansteckungswege noch unklar waren, bin ich im Mietwagen zu meinen Eltern gefahren. Warum soll ich hassen, was ich selber auch benutze? Ich hasse aber, wie ungerecht das System ist und dass dieses Auto so viel mehr wert ist als die Menschen, die mobil sein wollen.

Sie leben in Hamburg. Empfinden Sie Wut, wenn Sie fast von einem Rechtsabbieger umgefahren oder knapp überholt werden?

Weibliche Wut wird uns ja eigentlich aberzogen. Aber ich habe die Entscheidung getroffen, dass ich Wut sehr gut finde, wenn sie konstruktiv bleibt. Denn ich glaube, mit Phlegma hat noch niemand die Welt verändert. Mir passiert es tatsächlich öfter, dass mich Auto-Seitenspiegel berühren, obwohl man eigentlich mit einem Meter fünfzig überholen muss. Das macht natürlich etwas. Es macht mich wütend, dass wir akzeptieren, dass acht Menschen am Tag im Straßenverkehr sterben. Wenn die Bahn oder der Radverkehr acht Menschen am Tag töten würde, würde was getan werden. Beim Auto wird es hingenommen. Die Menschen außerhalb des Autos werden immer die schwächeren sein. Sie sind sogar laut Straßenverkehrsordnung dazu angehalten, sich unterzuordnen und vorsichtig zu sein. Auch das macht mich wütend.

Wie reagieren Sie, wenn Sie ein Seitenspiegel touchiert?

Letztens bin ich dadurch gegen ein geparktes Auto gekippt. Ich weiß nicht, was passiert wäre, wenn das nicht da gewesen wäre. Ich war erst mal sprachlos und geschockt. Ich habe nichts gemacht, gar nichts, hab mir noch nicht einmal das Kennzeichen gemerkt! Vielleicht auch, weil ich es gewohnt bin, dass ich auf der Straße mit dem Rad fahre und von Herren auf Mopeds überholt werde, die das F-Wort zu mir sagen, weil ich aus dem Weg gehen soll. Oder dass an der Ampel hinter mir mit dem Gas gespielt wird. Das ist auch Sexismus. Ich verstehe bis heute nicht, warum ich als Mensch auf dem Rad weniger wert bin als ein Mensch hinter einem Lenkrad. Im Grundgesetz ist die Rede von der Würde des Menschen, die unantastbar ist – also meine Würde wird durchaus öfter am Tag angetastet.

Das heißt, Sie fahren in Hamburg viel auf der Straße?

Wo kein Radweg ist, fahre ich in der Mitte der Straße, wenn klar ist, dass ich nicht mit Mindestabstand überholt werden kann. Dann bin ich weniger der Gefahr ausgesetzt, dass sich da doch jemand bemüßigt fühlt, es zu versuchen. Außerdem muss man ja auch noch rechts drauf achten, dass nicht eine Tür aufgeht.

Wie reagieren die Autofahrenden darauf?

Es wird als unverschämt empfunden, Hupkonzerte gehören dazu. Doch letztens ist ein Lkw-Fahrer bestimmt anderthalb Minuten hinter mir geblieben. Der wurde wiederum ohne Ende angehupt, weil die Leute mich nicht gesehen haben. Er hat das aber durchgehalten. Ich habe ihn so gefeiert! Das war wirklich super rücksichtsvoll – und sollte eigentlich selbstverständlich sein.

Wirklich eine tolle Szene. Aber es wäre ja wünschenswert, dass das nichts Besonderes ist …

Katja Diehl

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Jahrgang 1973, hat ihre Kindheit und Jugend im Emsland verbracht und lebt in Hamburg. Früher war sie in der Mobilitäts- und Logistikbranche tätig. Heute ist Katja Diehl Beraterin, sitzt im Vorstand des Verkehrsclubs Deutschland und im Beirat der österreichischen Klimaministerin. Diehl moderiert Events, hält Vorträge, twittert für knapp 40.000 Fol­lo­wer:­in­nen unter dem @kkklawitter. Alle 14 Tage erscheint ihr Podcast „She Drives Mobility“, der Frauen in der Branche sichtbar machen soll. Ihr erstes Buch, „Autokorrektur – Mobilität für eine lebenswerte Welt“, bei S.Fischer erschienen, ist zum Spiegel-Bestseller geworden. (taz)

Genau wie sich am Zebrastreifen zu bedanken, wenn einer anhält. Die Ungerechtigkeiten sind schon so in uns drin, dass wir Dankeschön sagen, wenn uns jemand nicht tötet.

Fahren Sie mit Helm?

Ich habe einen Hövding, also einen Luftairbag, der wie ein Schal aussieht. Einen Helm werde ich niemals tragen. Und ich finde die Helmdebatte auch unsäglich, weil nichts mehr Leben rettet als gute Infrastruktur und der Schutz der Schwächsten.

Sie wollen, dass Menschen aus Überzeugung das Auto stehen lassen. Wie kann das unter diesen Voraussetzungen gehen?

Ich habe in meinen Interviews gemerkt, dass viele Autofahrenden denken: Mit dem Auto bekomme ich mein Leben hin. Aber wenn ich fragte: Musst du oder willst du Auto fahren, realisierten viele, dass sie dazu gezwungen werden. Und der zweite Gedankenkreisel geht los, wenn ich frage: Kann ein Mensch ohne Führerschein dein Leben führen? Ganz häufig sagen die Interviewten: Nein. Den Punkt drehe ich gern um, wenn es um den ländlichen Raum geht. Dort geht fast nichts ohne Auto. Dann sind aber die 13 Millionen Erwachsene ohne Führerschein in Deutschland leider ausgeschlossen vom ländlichen Raum. Ist das demokratisch oder ist das eher eine Zwangsmobilität? Eine Veränderung kriegen wir nur hin, indem wir anerkennen, wie krass wir das Auto privilegiert haben – von Raum, Subventionen, Politik bis zur Straßenverkehrsordnung.

Das heißt konkret?

Wir müssen aufhören, selbst an diese Narrative zu glauben: an Verkaufszahlen etwa. Seit 2008 sind die jedes Jahr gestiegen. 2021 kamen noch mal 400.000 Autos dazu. Oder das Narrativ, dass arme Menschen immer noch Auto fahren müssen. Wir kaschieren die wirklichen Probleme. So sind Menschen in Armut vielleicht empört, wenn die Benzinpreise steigen – aber was ist eigentlich mit der Armut selbst? Müssen wir die nicht abwenden? Es sind manchmal Scheindebatten, die geführt werden. Die eigentlichen Probleme ums Auto sind ja die Ismen dieser Welt – aber die sind natürlich viel schwieriger zu lösen.

Auf welchen politischen Instrumente würden Sie beharren, wenn Sie mit dem Verkehrsminister einen Kaffee trinken gehen dürften?

Ich würde alle Autosubventionen auf den Prüfstand stellen: Pendlerpauschale, Dienstwagenprivileg. Dann sollten wir in Richtung Mobilität denken – und nicht in Richtung Autoverkehr. Eine Mobilitätspauschale wäre denkbar. Vielleicht eine ÖPNV-Flatrate wie in Österreich. Wir fragen bei neuer Mobilität oft: Rechnet sich das? Schafft es Autofahrten ab? Ich hätte dagegen gerne ein demokratisches System, das auf Menschen achtet, die nicht zur Mehrheitsgesellschaft gehören. Übrigens haben alle Ver­kehrs­mi­nis­te­r:in­nen mein Buch mit persönlicher Widmung bekommen, auch Herr Wissing.

Was von Ihrer Vision halten Sie mit der neuen Regierung und dem FDP-geführten Verkehrsressort für machbar?

Ich fand Volker Wissing erst total toll, weil er sehr klare Statements gesetzt hat: alles voll elektrisch, keine Förderung mehr von Plug-in-Hybriden. Dann war er bei der Autoindustrie zu Gast und auf einmal ist das mit der Elektromobilität alles nicht so einfach, und Plug-in-Hybride sind vielleicht eine Brückentechnologie. Das finde ich sehr schade. Das Problem wird sein, diese jahrzehntealten Spurrillen zu verlassen.

Wie kann die Politik – wenn es überhaupt ihre Aufgabe ist – es schaffen, so zu kommunizieren, dass der Wegfall von Privilegien fürs Auto nicht als Verlust wahrgenommen wird?

Ehrlich gesagt hat das noch keiner so formuliert, dass Privilegien wegfallen – obwohl es natürlich so sein muss. Ebenso muss der Autobestand in Deutschland abgebaut werden. Auch das ist zumindest mir noch nicht begegnet. Die einzige Zahl sind diese 15 Millionen Elektroautos, die die Ampel möchte. Als Austausch oder noch auf den Bestand drauf? Da trauen sich die Po­li­ti­ke­r:in­nen noch nicht ran. Das liegt auch daran, dass zu viel Wert auf die Antriebswende gelegt wird. Zudem muss die Gewissheit vermittelt werden, dass man immer noch mobil ist und seine Wege zurücklegen kann.

Diese und andere Probleme twittern Sie viel, gerne auch mal sehr pointiert. Mögen Sie es zu provozieren?

Ich mag es nicht, aber ich tue es. Und ich glaube auch, dass es diese Rolle braucht, weil Leute, die zu sehr vermitteln und alle mitnehmen wollen, hatten wir jetzt genug. Die haben uns ja auch dahin gebracht, wo wir gerade sind. Twitter funktioniert einfach darüber, dass man Sachen pointiert darstellt. Es ist ein Instrument, mit dem ich gerne arbeite. Aber nicht im Sinne von Provokation, sondern Perspektivwechsel.

Wie häufig müssen Sie Menschen bei Twitter blocken?

Mehrfach täglich. Es gibt Leute, die sagen, man müsse über gewissen Dingen stehen, wenn man in der Öffentlichkeit ist. Ich denke, dass immer noch ich das festlege. Bei Beleidigungen, bestimmten Wörtern, Trans-Feindlichkeit, Homophobie, Rassismus ist bei mir Schluss. Aber auch Leute, die mich einfach nur angehen und nicht konstruktiv sind, blocke ich mittlerweile weg, um Kraft zu sparen. Mein Twitter-Account ist mein Wohnzimmer, da würde ich auch nicht jeden Pöbler reinlassen.

„Ich verstehe bis heute nicht, warum ich als Mensch auf dem Rad weniger wert bin als ein Mensch hinter einem Lenkrad“

Wer Ihnen auf Twitter folgt, könnte den Eindruck bekommen, Sie seien primär als Aktivistin unterwegs. Dabei beraten Sie auch professionell, etwa die österreichische Klimaministerin. Ist das ein Widerspruch?

Für andere Leute ist das so, ja. Seit das Buch draußen ist, dränge ich auch wieder darauf, Expertin genannt zu werden. Nicht weil ich das bräuchte, sondern weil andere es anscheinend andere. Ich finde das schade, weil Aktivieren ist ja etwas Schönes, Positives. Aber ich will natürlich auch etwas verändern, und wenn Leute das brauchen, um mich als seriös zu betrachten – dann gebe ich ihnen das und nenne mich wieder Expertin.

Wie zeitaufwändig ist es für Sie, in den sozialen Medien so viel Content zu produzieren?

Getwittert wird einfach das, was mir in den Sinn kommt. Ich arbeite aktuell noch zu viel, bestimmt 80 Stunden in der Woche. Aber das hat nichts mit Social Media zu tun, sondern mit den vielen Dingen, die ich tun will. Mein Mantra für 2022: Gute Sachen mit guten Leuten machen und sehr gut von meiner Arbeit leben können. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich wirklich ein monetäres Ziel! Bisher war es immer schambehaftet, mit meinem Wirken auch finanziell erfolgreich zu sein. Das habe ich überwunden. Ich habe jetzt dreieinhalb Jahre investiert. Das soll sich jetzt einfach mal auszahlen. Wenn ich so sehe, was bestimmte Be­ra­te­r:in­nen bekommen für Dinge, die meiner Meinung nach nicht so wertvoll sind, dann kann ich das auch mal probieren.

Halten Sie es für möglich, dass Sie irgendwann mal keine Lust mehr auf dieses Thema haben?

Mich treiben Mobilität und diese Ungerechtigkeit unglaublich intrinsisch an. Und ich habe es mittlerweile umarmt, dass das so ist. Und das Buch hat mir wieder Energie gegeben, weil ich mit den Menschen geredet habe, für die ich ja sozusagen arbeite. Bevor Frithjof Bergmann gestorben ist, durfte ich das letzte Interview mit ihm machen. Er ist der Begründer von New Work mit der Frage: Was willst du wirklich tun? Und der lag mit 90 immer noch so wachen Geistes in seinem Bett, hat erzählt und mitgefühlt. Das ist in etwa mein Bild von mir im Alter.

Wie kümmern Sie sich um Ihre Gesundheit?

Seit drei Jahren bin ich als Expertin, Moderatorin, Beraterin, Speakerin und Autorin zum Thema inklusive und nachhaltige Mobilität unterwegs. Da habe ich gelernt, was Onlinehass ist. Auch der Anfang der Pandemie, als alles so wegbröselte, war herausfordernd. Damals habe ich mit den Psychologists for Future ein paar Telefonate geführt. Es gibt ja den sogenannten Activist Burn-out, weil man natürlich an Themen arbeitet, die man wahrscheinlich zeit seines Lebens nicht lösen kann. Die größte Aufgabe ist daher meine psychische Gesundheit. Ich habe gelernt, dass es Pausen braucht. Aber kompletter Digital Detox ist nicht meins. Viele Leute habe ich nur durch Twitter kennengelernt, dort habe ich ein Netz von Menschen, die da sind, wenn ich mich in Not fühle.

Und wie erholen Sie sich von dieser riesigen Aufgabe?

Ein Viertel jedes Monats verbringe ich mit meinen Eltern im Emsland. Dort bin ich sehr verankert. Mit meinem Faltrad oder Alltagsbike versuche ich regelmäßig auch längere Touren zu machen. Mein Podcast ist auch irgendwie Entspannung, weil er einfach ein Raum ist mit Menschen, die auch an der Veränderung mitarbeiten.