Urteil gegen Wirecard

Das Landgericht München erklärt die Abschlüsse 2017 und 2018 für nichtig. Aktionärsvertreter hoffen nun auf Klagen gegen Wirtschaftsprüfer EY

Die Bilanzen des Zahlungsdienstleisters Wirecard waren laut einem Urteil des Münchner Landgerichts schon in den Jahren vor der Insolvenz falsch. Das Gericht erklärte am Donnerstag die Abschlüsse der Jahre 2017 und 2018 und die dazugehörigen Dividendenbeschlüsse der Hauptversammlungen für nichtig. Damit kann Insolvenzverwalter Michael Jaffe, der die Klage eingereicht hatte, die Dividenden für beide Jahre – rund 47 Millionen Euro – von den Aktionären zurückfordern. Davon betroffen wären allerdings nur Großaktionäre wie der ehemalige Vorstandschef Markus Braun.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Aktionärsvertreter hoffen, dass es die Chancen für Schadenersatzklagen gegen den Wirtschaftsprüfer EY verbessert, der die Abschlüsse von Wirecard jahrelang testiert hatte. Das Prüfsiegel für 2019 hatte EY verweigert. Nachdem die Prüfer keinen Nachweis für angeblich auf Treuhandkonten in Asien liegenden 1,9 Milliarden Euro finden konnten, musste das bis in den DAX aufgerückte Unternehmen im Juni 2020 Insolvenz anmelden.

Die Milliarden stammten vorgeblich aus Geschäften mit Drittpartnern in Ländern, wo Wirecard nicht über eigene Lizenzen zur Zahlungsabwicklung verfügte. Insolvenzverwalter Jaffe sieht es als erwiesen an, dass es dieses Geschäft nie gab und Wirecard tatsächlich bereits seit 2015 rote Zahlen schrieb. Er betonte am Donnerstag, auch das Gericht sehe „massive Gründe“ dafür, dass die Treuhandguthaben nicht existierten. Jaffe hatte die Bilanzen angefochten, weil die Vermögenswerte völlig überbewertet seien. Die Treuhandkonten machten rund 40 Prozent der Bilanzsumme aus.

Ob die fehlenden Milliarden wirklich nicht existierten oder auf anderen Konten lagen, wie Ex-Vorstandschef Braun vermutet, sei für das Urteil unerheblich, sagte der Vorsitzende Richter Helmut Krenek. Wirecard habe in jedem Fall gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung und damit gegen die Vorschriften zum Gläubigerschutz verstoßen. (rtr)

(Az.: 5 HK O 15710/20)