Schwangerschaftsabbrüche in den USA: Lebensgefährlicher Rückschritt

Das nationale Recht auf Abtreibung steht in den USA auf der Kippe. Es wäre der Erfolg einer gut vernetzten, fundamentalistischen Rechten.

Frauen mit Forderungen "my body my choice, "not your body" und enem Kleiderbügel protestieren vor dem Supreme Court in Washington

Protest gegen den Supreme Court in Washington, der das Abtreibungsgesetz verschärfen könnte Foto: Alex Brandon/ap

Die Pläne des Obersten Gerichtshofs der USA sind eine Katastrophe. Einem Entwurf zufolge, der die Mehrheitsmeinung der RichterInnen beschreibt und von der Nachrichtenseite Politico veröffentlicht wurde, soll das Recht auf Schwangerschaftsabbruch gekippt werden. Das Urteil, mit dem dieses Recht garantiert worden ist, sei „von Anfang an ungeheuerlich falsch“ gewesen, schreibt Richter Samuel Alito in diesem Entwurf. „Seine Argumentation war außergewöhnlich schwach, und die Entscheidung hatte schädliche Konsequenzen.“

Zu befürchten war diese bedrohliche Entwicklung seit Langem. Vor fast 50 Jahren hatte ebendieses oberste Gericht mit einem Urteil namens „Roe v. Wade“ Geschichte geschrieben. Seit 1973 sind Abbrüche in den USA bis zur 24. Woche legal, also bis zu dem Zeitpunkt, an dem ein Fötus außerhalb des menschlichen Körpers lebensfähig ist. Das damalige Urteil war ein globaler Meilenstein im Kampf von Frauen um den eigenen Körper. Von Beginn an jedoch war es erbittert umkämpft.

Konservative und Rechte mobilisierten Kräfte, AnwältInnen und Geld, um einen Kulturkampf zu führen, Kampagnen zu fahren und strategisch an einem Framing zu arbeiten, das Abbrüche über die Jahrzehnte als Mord brandmarkte. Immer wieder erließen republikanisch regierte Bundesstaaten Gesetze, die Abbrüche kriminalisierten, um „Roe“ herauszufordern.

Der jetzige Entwurf des Gerichts ist insofern der Erfolg einer gut vernetzten, christlich-fundamentalistischen Rechten, die 2016 auch dazu beitrug, Trump ins Amt zu bringen. Der gab den möglichen Todesstoß für das Recht auf Schwangerschaftsabbruch: Er nominierte drei streng konservative RichterInnen für den Supreme Court, die die nun veröffentlichte Mehrheitsmeinung sichern. Demnach soll „die Frage der Abtreibung an die gewählten Volksvertreter zurückgegeben“ werden. Knapp die Hälfte der Bundesstaaten hat fertige Gesetze vorliegen, um Abbrüche zu verbieten.

Noch hat das Gericht nicht entschieden. Schon jetzt aber zeichnet sich ein politisches Erdbeben ab. Noch in der Nacht wurden Barrikaden vor dem Supreme Court errichtet, versammelten sich Frauen zum Protest. Die demokratische Senatorin Elizabeth Warren twitterte, „ein extremistisches oberstes Gericht“ wolle seine rechte Meinung dem Land überstülpen, und rief zu Protesten auf.

Entscheidung im Juni

Bis Juni soll die Entscheidung fallen. Fällt sie wie erwartet, hätte dies dramatische Konsequenzen für Frauen in den USA – und eine Signalwirkung, die für Frauen auf der ganzen Welt lebensgefährlich ist. Wie „Roe“ damals Vorbild für demokratische, gesundheitsbewusste Länder war, wäre auch das jetzige Urteil Vorbild für fundamentalistische, rechte Regierungen. Es wäre ein Paradigmenwechsel und zivilisatorischer Rückschritt, würden die USA zum Leitbild, reproduktive Rechte zu kriminalisieren.

Nirgendwo auf der Welt führen restriktive Gesetze dazu, dass es keine Abbrüche mehr gibt. Sie verhindern lediglich sichere Abbrüche. Rund 47.000 Frauen jährlich sterben, weil sie unter unsicheren Bedingungen abtreiben. All diese Tode wären vermeidbar. Mit einem solchen Urteil könnten es wieder mehr werden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

war Chefin vom Dienst in der Berlinredaktion, hat die Seite Eins gemacht und arbeitet jetzt als Redakteurin für Geschlechterpolitik im Inland. 2019 erschien von ihr (mit M. Gürgen, S. am Orde, C. Jakob und N. Horaczek) "Angriff auf Europa - die Internationale des Rechtspopulismus" im Ch. Links Verlag. Im März 2022 erscheint mit Gesine Agena und Dinah Riese "Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte" im Verlag Klaus Wagenbach.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.