Le Pen, Twitter und Verfassungsfeinde: Bällchenparadies des Unterkomplexen

Russland gibt sein Gas jetzt nicht mehr her. Und Manuela Schwesig ist nicht Willy Brandt. Außerdem: ein Blick auf die Wursttheke.

Elon Musk, ein Mann mittleren alters steht in einem Tunnel, der zusammengesetzt ist aus abwechselnden schwarzen und grell weiß erleuchteten Streifen. Musk schaut grimmig. Er trägt einen Anzug.

Wird jetzt wohl Chef unter allen Meinungsschleudern: Bald-Twitter-Besitzer Elon Musk Foto: imago

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Gibt es in Kiew so eine Selenski-Pappwand mit Lochausschnitt für Touristenfotos?

Und was wird in dieser besser?

Friedrich Merz findet es heraus.

Emmanuel Macron ist in Frankreich erneut zum Präsidenten gewählt worden. Damit wurde eine rechtsextreme Präsidentin Marine Le Pen gerade nochmal verhindert. Ein Grund zum Feiern?

Nee, zum Liefern. Merkeldeutschland hat Macron lange verhungern lassen, bei Eurobonds, also gemeinsamen europäischen Schulden, bei der Besteuerung von US-Digitalkonzernen, bei gemeinsamer Sicherheitspolitik. Macron hat viel angeboten und wenig bekommen, so konnte Le Pen die Abkehr von den geizigen Deutschen als Wahlkampfthema nutzen. Wer Le Pen morgen nicht will, kann heute auf Frankreich eingehen.

Elon Musk kann Twitter kaufen. Für 44 Milliarden US-Dollar. Ein großer Tag für die Meinungsfreiheit, findet der Multimilliardär. Sie auch?

Mit seiner Beschränkung auf 144, später 280 Zeichen ist Twitter qua Geburt das Bällchenparadies der unterkomplexen Nachricht. Wer seine Gedanken in dieser Kürze packen kann, ohne Verlustschmerz zu empfinden, hat keine. Der mit rund 300 Millionen Nutzern vergleichsweise kleine Dienst stellt also eine darwinistische Auswahl an Meinungsschleudern dar. Musk kündigt mit dem Kauf an, den fiebernden Fasel spürbar entgrenzen zu wollen. Noch weniger Kuratierung, freie Fahrt für giftige Bürger. Während die Welt orakelt, ob so etwa auch Weltenbeleidiger Trump wieder mitmachen dürfe, ließe sich fragen: Leistet Musk sich so einen peinlichen Präsidenten oder macht es gleich selber? (668 Zeichen).

Manuela Schwesig will trotz der anhaltenden Kritik nicht zurücktreten. In einer Sitzung der SPD-Landtagsfraktion verglich sie sich mit Altkanzler Willy Brandt. Sehen Sie die Parallelen?

Von Gorbatschows „gemeinsamem Haus Europa“ erst mal vier Etagen Gasleitungen zu bauen und dann zu gucken, wie der Blitz dreinschlägt, ist nicht sehr Willy Brandt. Sein legendäres „Erdgas-Röhren-Geschäft“ entstand aus dem Deal, dass Ruhrbarone den Sowjets Pipelines lieferten und sich das mit Gas bezahlen zu lassen. Ringtausch. Auch damals verhängten die USA Embargos, doch Brandt setzte schnell Grundlagenverträge, Aussöhnung und den KSZE-Prozess drauf. Diesmal fehlt dem wirtschaftlichen Gerüst die politische Architektur drumherum, soweit trifft und fehlt die Kritik an Schwesig also zugleich. Halbherzig bleibt sie eh, anständige Russenfresser werfen direkt Brandt Nähe zu Putin vor. Doch, kriegen die hin.

Weil ihre Regierungen sich geweigert haben, mit Rubel zu bezahlen, hat Russland seine Gaslieferungen für Polen und Bulgarien eingestellt. Jetzt wurde auch eine erste Zahlung aus Deutschland abgelehnt. Schaffen wir es auch ohne russisches Gas?

Eine andere interessante Frage ist, ob es Russland schafft, ohne uns Gas zu verkaufen. Sonst wäre der Boykott ein moralisch hochwertiges Mannbarkeitsritual, wie ein Köpper von der Klippe, um es der Klippe mal so richtig zu zeigen.

Das bayerische Verfassungsschutzgesetz, das die CSU 2016 umfassend überarbeitet hatte, ist teilweise rechtswidrig. Das hat das Bundesverfassungsgericht am Dienstag in Karlsruhe entschieden. Wie viel bayerische Überwachung braucht es denn?

Da hat Bayern Gutes getan, denn jetzt wissen auch alle anderen Bundesländer: Staatstrojaner, Vorratsdatenzugriff und verdeckte Ermittler sind so mit dem Grundgesetz nicht zu machen. Humorige Note: Klageführer waren Antifaschisten aus der „VVN-Bund der AntifaschistInnen“, die in Bayern vom Verfassungsschutz als linksextrem geführt wurden. Nun haben also Verfassungsfeinde die Verfassung vor den Verfassungsschützern beschützt.

Laut einer aktuellen Studie blieben vergangenes Jahr bis zu 40 Prozent aller Ausbildungsstellen in Deutschland unbesetzt. Am meisten unbesetzte Stellen gab es beim Verkauf von Fleischwaren. Wie bekommt man jungen Menschen bloß wieder zurück an die Wursttheke?

Meine Tochter war ein funkelnder Mortadella-Magnet als Kind. „Na, möchte die Kleine auch ein Stück Wurst?“. Heute ist sie Vegetarierin. Also: Verknappung.

Und was machen die Borussen?

Ohne die zwei Video-Entscheidungen hätte Bochum die Dortmunder gleich im Sack gehabt. Eine herzliche Einladung, den Samstagnachmittag im Kölner Keller zu verbringen statt im Stadion.

Fragen: Ruth Lang Fuentes, Carolina Schwarz

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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