Slowenien steht vor einem Machtwechsel

Der Politneuling Robert Golob und seine liberale Freiheitsbewegung GS gewinnen die Parlamentswahl. Mit den Sozialdemokraten reicht es, um die alte Regierung abzulösen

Ließ sich am Sonntagabend in Ljubljana feiern: Wahlsieger und Vorsitzender der liberalen Freiheitsbewegung (GS) Robert Golob Foto: Borut Zivulovic/reuters

Von Erich Rathfelder

Der Jubel in der slowenischen Hauptstadt Ljubljana war groß – vor allem bei den jungen An­hän­ge­r*in­nen der demokratischen Opposition und der Zivilgesellschaft, als das Ergebnis der Parlamentswahl am Montagmorgen so gut wie feststand. Nach Auszählung von 99 Prozent der Stimmen lag die oppositionelle liberale Freiheitsbewegung Gibanje Svoboda (GS) des Politneulings Robert Golob deutlich vor der bisherigen Regierungspartei SDS des Rechtspopulisten Janez Janša. Auf Golobs GS entfielen 34,5 Prozent, Janšas SDS erreichte 23,6 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag nach offiziellen Angaben bei fast 70 Prozent – der höchste Stand seit 2000.

Da die GS mit 40 der 90 Parlamentssitze rechnen kann, ist es ihr möglich, eine schon vor den Wahlen anvisierte Koalition mit den Sozialdemokraten zu bilden. Die Sozialdemokraten (SD) erreichten sieben Prozent und acht Mandate, was eine knappe Mehrheit im Parlament ergibt. Die ebenfalls als Koalitionspartner in Frage kommende Linkspartei Levica kam auf vier Prozent und stellt fünf Abgeordnete. Je ein Parlamentssitz ist Vertretern der italienischen und der ungarischen Minderheit vorbehalten. Des Weiteren konnte nur noch die konservative Partei Neues Slowenien (NSi) die Vierprozenthürde nehmen. Sie landete bei sieben Prozent und kommt auf acht Mandate. Somit ist es für Janša unmöglich, ein neues konservativ-rechtspopulistisches Bündnis zu schmieden.

Der 63-jährige Janša räumte seine Niederlage umgehend ein. Der 55-jährige Politiknewcomer Robert Golob versprach den jubelnden An­hän­ge­r*in­nen hingegen einen Neuanfang. Er äußerte sich in einem Livestream von zu Hause aus, da er sich derzeit wegen einer Corona-Infektion in Quarantäne befindet.

Der deutliche Vorsprung für die GS überraschte viele. Es war ein Kopf-an-Kopf-Rennen erwartet worden. Golobs Sieg sei auf die erfolgreiche Mobilisierung der Zivilgesellschaft und der jungen Wäh­le­r*in­nen gegen Janez Janša zurückzuführen, erklärten unabhängige Analysten am Wahlabend. Diese Menschen hätten gegen den Demokratieabbau, für die Meinungsfreiheit und die Unabhängigkeit der Justiz gestimmt.

Janšas Nähe zum ungarischen Regierungschef Viktor Orbán hatte die Zivilgesellschaft seit Jahren herausgefordert. Ungarische Medienhäuser übernahmen nach und nach Medien in Slowenien, Janša überzog (vor allem) Jour­na­lis­t*in­nen mit Beleidigungen. Zudem versuchte er, die slowenische Nachrichtenagentur STA unter seine Kontrolle zu bekommen. Der glühende Anhänger Von Ex-US-Präsident Donald Trump wollte Slowenien zu einem autoritären Staat umbauen, der innerhalb der EU mit Ungarn und Polen kooperieren sollte.

All dies trug zum Wahlsieg Robert Golobs bei, den noch im Herbst niemand auf der Rechnung hatte. Er sprach mit seiner aus einer kleinen grünen Partei hervorgegangenen GS, die er erst im Januar gegründet hatte, die linken, liberalen und grünen Strömungen in der Gesellschaft an.

Zwar war er schon um die Jahrtausendwende Staatssekretär in der Regierung von Janez Drnovšek und Vize-Vorsitzender der Partei Pozitivna Slovenija (Positives Slowenien) gewesen, doch als Politikprofi galt er nicht. Sein Markenzeichen ist die Wirtschaft, 2004 wurde er zum Chef des staatlichen Energiekonzerns GEN-I berufen. Erst als er in dieser Funktion in Konflikt mit Janša geriet, ging er in die Politik.

Der große Vorsprung für die GS überraschte. Es war ein enges Rennen erwartet worden

Er beschreibt sich selbst als „ein bisschen links und ein bisschen rechts“. Mit seiner charismatischen Art hat er es aber geschafft, Wäh­le­r*in­nen aus allen Teilen des politischen Spektrums zu gewinnen. Er steht jetzt vor der schwierigen Aufgabe, aus einem losen Wahlverein eine schlagkräftige Regierung zu machen. Immerhin wird ihm mit der sozialdemokratischen Europaabgeordneten Tanja Fajon eine erfahrene und hochangesehene Menschenrechtsaktivistin zur Seite stehen. Als weltoffene und in ganz Südosteuropa beliebte Politikerin hatte die ehemalige Journalistin 2020 den Vorsitz der Sozialdemokratischen Partei (SD) übernommen.

Notwendig sei vor allem der Aufbau von Institutionen, die die gesamte Gesellschaft als neutral akzeptiere, fordert sie. Nur so könne Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der slowenischen Demokratie zurückgewonnen werden, meinen auch Analysten. Die jüngste Geschichte in Slowenien zeige, dass EU-Mitgliedstaaten nicht auf immer und ewig stabile Demokratien bleiben müssten.

meinung + diskussion