Ausschlussverfahren gegen Palmer: Kompromiss mit Potenzial

Tübingens OB Boris Palmer will seine Grünen-Mitgliedschaft ruhen lassen. Stellen sich er und seine Partei klug an, kann daraus Gutes entstehen.

Boris Palmer vor einem Gebäude.

Boris Palmer auf dem Weg zur Geschäftsstelle der Grünen in Tübingen am 23. April Foto: Christoph Schmidt/dpa

Wo Boris Palmer ist, ist die Überraschung nicht weit. Jetzt ist dem Schiedsgericht der baden-württembergischen Grünen – und vielleicht auch ein wenig seinem Anwalt Rezzo Schlauch – tatsächlich gelungen, woran bisher viele gescheitert sind: Palmer ist zu einem Kompromiss bereit.

Fast ein Jahr zieht sich das Parteiausschlussverfahren bereits hin. Die Entscheidung, Palmer rauszuwerfen, war kurz vor Beginn des Bundestagswahlkampfs und wohl auch unter dem Druck der Bundespartei übers Knie gebrochen worden. Richtig daran war, dass der Tübinger Oberbürgermeister die große Aufmerksamkeit für seine teils empörenden, teils nur provokanten Äußerungen vor allem daraus gezogen hat, dass sie quer zur Parteilinie lagen. Damit hat er die Grünen oft behindert. Aber eben auch offengelegt, wo es sich die Partei in Widersprüchen zwischen moralischen Parteitagsreden und praktischem Regierungshandeln bequem gemacht hatte, und gezeigt, wie diskussionsfaul die einstige Flügelpartei geworden ist.

Jetzt akzeptiert Boris Palmer also, seine Parteimitgliedschaft eineinhalb Jahre ruhen zu lassen. Damit kann er leben, denn er hat keine Parteiämter, auf Parteitagen spielte er keine große Rolle. Die ruhende Mitgliedschaft hält ihm den Rücken frei, als unabhängiger Kandidat den OB-Sessel in Tübingen zu verteidigen. Streng genommen wäre diese Kandidatur gegen die offizielle grüne Kandidatin schon allein ein Grund für einen Parteiausschluss gewesen.

Vergleicht man das rechthaberische Statement der Partei zum Schiedsspruch mit dem von Palmer, natürlich auf seinem Lieblingskanal Facebook, bekommt man den Eindruck, den Grünen fällt der Kompromiss ungleich schwerer. Teil der Einigung ist eben auch, ab 2023 gemeinsame Gespräche zu führen, wie der Querkopf Palmer seine Kritik konstruktiv in die Partei einbringen kann. Das wird sicher für alle Beteiligten eine Zumutung, aber auch ein Integrationsprogramm, von dem beide Seiten, wenn sie klug sind, profitieren werden.

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Benno Stieber ist seit 2015 Landeskorrespondent der taz in Baden-Württemberg. In Freiburg als Österreicher geboren, lebt er heute als eingefleischter Freiberufler wieder im badischen Landesteil. Er ist Absolvent der "Deutschen Journalistenschule" in München und hat dort auch Geschichte und Politik studiert. Er schrieb unter anderem für die "Financial Times Deutschland", hat einen erfolgreichen Berufsverband gegründet und zwei Bücher geschrieben. Eins über Migranten nach der Sarrazin-Debatte und eins über einen Freizeitunternehmer aus dem Südwesten.

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