Ab in die Kapsel

Sich einzubunkern und auf die Endzeit vorzubereiten, ist schon länger en vogue

Von Robert Matthies

Derzeit macht der Scherz eines britischen Buchladens wieder die Runde: „Achtung: Die Abteilung für postapokalyptische Fiktion wurde verlegt zu Zeitgeschehen“, steht auf dem Schild in dessen Schaufenster. Der kleine Witz funktioniert schon länger ganz gut: Klimakrise, Corona und hybride Kriegsführung haben Schwung in die Landschaft der Endzeit- und Weltuntergangsszenarien gebracht, und jetzt also auch wieder Dritter Weltkrieg und Atombombenapokalypse.

Wo das Ende wieder mal bevorsteht, gehts ums Sortieren: Wer darf überleben und die neue Welt aufbauen, die ja trotz der Opfer, die das kosten würde, irgendwie immer auch ersehnt wird in all dem Untergangsfantasieren. Welcher Teil der Welt kann und soll für den Fall, das doch noch irgendetwas stehenbleibt, konserviert werden? Öffentliche Schutzräume wird es vorerst nicht geben und gab es immer nur für wenige. Was in Deutschland noch steht, ist längst umgewidmet oder womöglich zu verfallen, um reaktiviert zu werden.

Und das Schutzversprechen wäre trügerisch: Mit der Entwicklung von Waffen kann der Bunkerbau nicht mithalten, überstehen könnten einen Angriff mit Atomwaffen vermutlich nur ganz wenige bloß noch eine ganz kurze Zeit. Die nüchterne aktuelle Zivilschutzempfehlung: Die vorhandene Bausubstanz nutzen und Fenster zu.

Die Sehnsucht, sich die Schrecken der Welt und damit auch ihr Ende in Schutzräumen vom Leib zu halten, hat etwas Fantastisches. In den USA, wo es kaum öffentliche Bunker gibt, warb die Regierung in den 1950ern für schrecklich alberne „Family Bunkers“ im Garten. Das Leben darin stellten die Werbebildchen wie das gewohnte dar: Ein schönes Wohnzimmer, spielende Kinder, ein ideales, weißes Kernfamilienleben unter der Erde.

Heute eröffnen Fantasien vom Bunkerleben einen riesigen Markt. Bunker sind Popkultur, Survivalism ist im Mainstream angekommen, wer mit Preppen als Hobby anfangen will, muss nicht mehr in schrägen Internetforen abhängen, sondern bekommt praktische Starter­sets.

Wer das nötige Geld mitbringt, kann sich schon ab 49.000 Euro einen kleinen privaten Bunker mit Gasfilteranlage und Panzertür für die ganz private Endzeitfantasie bauen lassen. Seit dem Krieg in der Ukraine klingeln bei der Berliner Firma Bunker Schutzraum Systeme Deutschland angeblich ununterbrochen die Telefone. Im Silicon Valley haben nicht wenige IT-Millionäre immer einen vollgetankten Helikopter vor der Tür, um rechtzeitig Reißaus nehmen zu können ins sicherer geglaubte Hinterland oder ins Zufluchtparadies Neuseeland.

Ganz oben in der aktuellen Bunkerhierarchie stehen dann wohl die „High Net Worth Families“, für die Vivos Europa One in einem ehemaligen Munitionsbunker der Sowjets im thüringischen Rothenstein die „Ultimate Life Assurance Solution“ anbieten will: Fünf-Sterne-Luxus-Bunkeranlagen mit Pools auf 23.000 Quadratmetern, zwei Millionen kostet das 232-Quadratmeter-Zimmer. Für 35.000 Euro gibt es immerhin einen Platz im Neun-Quadratmeter-Viererzimmer, um die Apokalypse ein wenig unbequemer zu überstehen. Dafür ist der Dank für die humanitäre Investition groß: Wer sich hier einkauft, leiste einen wichtigen Beitrag fürs Überleben der Menschheit, jubelt die Internetseite.

Für eine lustige postapokalyptische Serie gibt so ein Superreichenüberlebens­ort sicher eine gute Kulisse ab. Und uns anderen, für die es erst mal keine Bunker geben wird, bleibt ja auch nichts anderes übrig, als anders mit der dauernden Angst vorm Weltuntergang umzugehen. Humor, behaupten Studien, ist dafür ein überraschend schneidendes Schwert. Wer noch lachen kann, kann zumindest ein paar Löcher in den eigenen Angstbunker sprengen. Wer zuletzt lacht, lacht vielleicht doch nicht am besten.