Streit Polizeiwache am Kottbusser Tor: Nicht zu Ende gedacht

Am Kotti, dem linkem Mythenort in Berlin schlechthin, soll eine Polizeiwache einziehen. Es ist ein höchst sensibles Projekt – und ebenso umstritten.

Der Ostermarsch des «Netzwerks Friedenskooperative» unter dem Motto «Die Waffen nieder!» zieht in Berlin-Kreuzberg am Kottbusser Tor vorbei - Blick von oben

Ostermarsch am Kottbusser Tor: So ähnlich wäre dann der Blick von der Polizeiwache aus auf den Platz Foto: dpa/Christoph Soeder

BERLIN taz | Politik muss nicht verständlich sein, jedenfalls ist das nicht gesetzlich vorgeschrieben. Aber es erleichtert die Dinge ungemein. Verständlich machen heißt dabei nicht, alle vom Zweck überzeugen zu können, aber zumindest klar und nachvollziehbar zu argumentieren. Und vor allem den Eindruck zu erwecken, die Sache zuvor richtig durchdacht zu haben, auch in ganz praktischen Einzelheiten.

Berlin erlebt gerade, wie man es genau nicht machen sollte, und das bei einem höchst sensiblen Projekt, nämlich einer neuen Polizeiwache im Stadtteil Kreuzberg, am Kottbusser Tor, kurz Kotti. Manche sehen dort einen der kriminalitätsbelasteten Orte Berlins, Drogenhandel und Vermüllung, andere einen mythenreichen linken Kiez, der kaum Polizeipräsenz verträgt.

Anders als es der Name nahelegt, gibt es dort kein Tor, es geht vielmehr um einen von einem Kreisverkehr umflossenen Platz, von dem sechs Straßen ausgehen und neben dem die U-Bahn verläuft. Prägend ist ein in den 1970er Jahren entstandener zwölfgeschossiger Gebäuderiegel, der eine jener Straßen überbrückt. Und in just jene Überbrückung, in die sogenannte Galerie, soll eine Polizeiwache einziehen.

Da ließe sich angesichts der Brisanz vermuten: Das ist bestimmt gut vorbereitet, komplett durchgerechnet, polizeiintern abgesprochen, vor allem mit der starken Gewerkschaft GdP, und innerhalb der rot-grün-roten Koalition auch mit jenen abgeklärt, die von so einer Wache eigentlich gar nichts halten.

„Schnell Nägel mit Köpfen“

Passiert aber ist anderes, ganz anderes. Im Koalitionsvertrag, gerade erst vergangenen Dezember unterzeichnet, ist nur von Videoüberwachung „an kriminalitätsbelasteten Orten“ die Rede, durchgesetzt von der SPD. Kaum drei Wochen später aber sprach die neue sozialdemokratische Innensenatorin Iris Spranger in einem Interview von einer neuen Polizeiwache am Kotti.

Und nur weitere zwei Wochen später kam die Landesregierung aus einer ersten Klausurtagung mit einem 100-Tage-Programm, zu dem plötzlich die Vorbereitung eben dieser Wache gehörte. Sie wolle „schnell Nägel mit Köpfen“ machen, war von der Innensenatorin zu hören. Nochmals nur wenig später war dann auch der Vorschlag da, diese Wache in besagter Galerie unterzubringen. Mehrfach gab es seither Demonstrationen dagegen.

Vielfach sind aber auch die Gegenargumente aus der Polizei gegen eine Wache dort: zu klein, um wirklich wirksam sein zu können, mit ihrer Glasfront zu ungeschützt für die Beamten, „wie auf dem Präsentierteller“, ohne die nötigen Parkplätze für Einsatzwagen, ohne Aufzug. Und mitnichten sei es so wie von der Senatorin dargestellt, dass sich Kollegen um Jobs dort reißen würden. Zudem wirken Grüne und Linkspartei, Koalition hin oder her, weiter nicht so, als würden sie das Projekt mittragen.

Und als ob fragliche Konzeption, schwacher Rückhalt, umstrittener Standort und mutmaßlich falsche Größe nicht ausreichten, steht seit Kurzem auch die Finanzierung infrage. 250.000 Euro sollten veranschlagt sein – jüngst berichtete der Tagesspiegel bislang unwidersprochen über Kosten von 2,5 Millionen. Da wirkt das „Nägel mit Köpfen“-machen-Wollen der Senatorin nicht energiegeladen, sondern bloß noch aktionistisch.

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