Neue Erlebniswelt im Tierpark Berlin: Im Spielzeuggebirge

Wandern im Himalaya? Geht auch gemütlich an der Spree. Genauer gesagt im Berliner Tierpark, wo es nun eine künstliche Berglandschaft gibt.

EIne Illustration zeigt schemantisch einen für Tiere nachgebauten Berg im Tierpark Berlin-Friedrichsfelde

Hauch von Berg inmitten der Großstadt: Im Tierpark Berlin kann man nun den Himalaya erkunden Illustration: Sebastian König

BERLIN taz | Ein Jahr Bauzeit, 3.000 Tonnen Naturstein auf 60.000 Quadrat­metern, 5,3 Millionen Euro ausgegeben – und heraus kommt: Die neue „Himalaya-Erlebniswelt“ des Berliner Tierparks, einem von zwei Zoos in der Hauptstadt. Es gibt zwar keinen 8.000er – doch immerhin 60 Meter hoch ist das Kunstgebirge. Kletter- und sonstige Bergsteigausrüstung kann mensch also getrost zu Hause lassen, selbst mit Sneakers lässt sich die Strecke mühelos bewältigen.

Der Aufstieg beginnt am Fuße des Himalayas, wo mit Bambus und dichtem Baumbewuchs die Flora des tropischen Monsunklimas konstruiert wurde. Hier leben die Bartgeier, die nicht nur im Himalaya-Gebiet, sondern mittlerweile auch in den Alpen wieder anzutreffen sind. Die riesigen Vögel wurden hierzulande zu Beginn des 20. Jahrhunderts ausgerottet. Es hatte sich das Gerücht verbreitet, dass sie Lämmer und sogar Kinder fräßen. Nichts davon stimmt, in Wirklichkeit sind die Geier Aasfresser, die „bei der Abfallbeseitigung eine zentrale Rolle im Ökosystem spiel(en)“, wie die Infotafel am Gehege verrät. Durch Bildungsarbeit und erfolgreiche Auswilderungsprojekte sind die imposanten Tiere in den Alpen wieder da.

Wege durchs Gebirge

Die kurvigen Pfade führen, an den Tiergehegen vorbei, unaufhaltsam aufwärts. An verschiedenen Punkten gibt es die Möglichkeit, vom asphaltierten Spazierweg auf „Abenteuerwege“ – querfeldein – abzubiegen.

In Höhenlagen zwischen 1.500 und 3.000 Metern wird der Bambus kleiner und geht in die Strauchschicht über. Hier fühlen sich nur noch anspruchslose Nadelhölzer wie Kiefern wohl. Im echten Himalaya ist es in dieser Höhenlage schon recht kalt, knapp unter der Schneegrenze, bei etwas über null Grad, leben der Gold- und der Sezuantakin sowie die vermeintlichen Stars der Fauna: In der begehbaren Anlage sind fünf rote Pandas zu bestaunen. Die vom Aussterben bedrohten Tiere wurden im letzten Jahr aus Zoos in Schwerin, Dublin und der Türkei nach Berlin gebracht.

Vorbei an den riesigen Marco-Polo-Schafen gehts zu einer weiteren Hauptattraktion: Die Schneeleoparden sind super an den Lebensraum angepasst, mit ihren breiten Pfoten können sie sich auf dem nachgebildeten gerölligen Gebirgsstein grazil fortbewegen. Das dichte Fell und die vergrößerten Lungen, mit denen sie trotz der dünnen Gebirgsluft atmen können, brauchen sie im Berliner Spielzeuggebirge aber nicht.

Felsen prägen das karge Landschaftsbild, nur vereinzelte kleine Bäumchen und Flechten trotzen dem Klima. Eiskalte Schneewehen bringen die ungeübte Stadthikerin fast zum Absturz, doch plötzlich öffnet sich vor ihr ein riesiges Bergpanorama und da ist er endlich: der Gipfel – aber okay, das ist frei erfunden. Denn was vom höchsten Punkt des Himalaya-Gebirges im Tierpark aus tatsächlich zu sehen ist: der Fernsehturm.

Berechtige Frage

Beseelt von der schönen Aussicht beginnt der Abstieg, voller Eindrücke, aber auch Gedanken über Sinn und Unsinn eines künstlichen Stadtgebirges, in dem zur Unterhaltung der Besucher_innen Tiere ausgestellt werden.

Es drängt sich die Frage auf, ob die 5,3 Millionen Euro für den Bau der Himalaya-Erlebniswelt nicht besser in den Artenschutz vor Ort investiert worden wären. Natürlich ist es wichtig, das Bewusstsein der Berliner_innen und der Tourist_innen für Arten- und Klimaschutz durch sensibilisierende Bildungsarbeit, wie etwa den Lehrpfad durch die Erlebniswelt, zu fördern. Es scheint andererseits paradox, Bildung zum Thema Artenschutz an einem Ort stattfinden zu lassen, an dem mit 110 Lkw-Fuhren das Klima belastet wurde, um den Naturstein heranzukarren.

Dass der Tierpark zum sogenannten Geo-Zoo umgebaut wird, ist eine Verbesserung, weil das mehr Platz sowie bessere Rückzugsmöglichkeiten für die Tiere bedeutet. Aber macht die Angleichung an den natürlichen Lebensraum die Gefangenschaft der Zootiere akzeptabler? Auch ein schöner Käfig ist immerhin ein Käfig.

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Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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