Wahlen in Serbien: Durchmarsch für Vučić

Präsident Aleksandar Vučić gewinnt die Wiederwahl in Serbien, seine Partei die Parlamentswahlen. Die Opposition beklagt zahlreiche Unregelmäßigkeiten.

Aleksandar Vucic trinkt ein Glas Sekt

Ein Glas auf den eigenen Wahlsieg: Serbiens Präsident Aleksandar Vučić Foto: ap

BELGRAD taz | Auf dem Scheideweg zwischen der EU und Russland und im Schatten des Krieges in der Ukraine fanden am Sonntag in Serbien Parlaments-, Präsidentschafts- und Kommunalwahlen in Belgrad statt.

Der aktuelle Staatspräsident Aleksandar Vučić hat die Rolle des haushohen Favoriten bestätigt: mit fast 3 Millionen Stimmen (über 58 Prozent) von rund 6,5 Millionen registrierten Wählern gewann er souverän in der ersten Wahlrunde. An zweiter Stelle landete mit knapp 18 Prozent Zdravko Ponoš, Kandidat der oppositionellen Koalition „Gemeinsam für den Sieg Serbiens“.

Auch bei den Parlamentswahlen gab es keine großen Überraschungen: Die Serbische Fortschrittspartei (SNS) von Vučić gewann über 42 Prozent und wird mit ihren traditionellen Koalitionspartnern locker eine Regierung bilden können. Die Opposition hat etwa ein Drittel von 250 Mandaten im serbischen Parlament erreicht. Ein Rechtsruck ist im Parlament zu vermerken, drei rechtskonservative, prorussische Parteien überwanden die 3-Prozent-Hürde.

Der größte Skandal dieser Wahlen, bei denen es zahlreiche, auch physische, Auseinandersetzungen in der Nähe von Wahllokalen gab, war, dass die staatliche Wahlkommission am Sonntag gegen 22 Uhr bekanntgab, dass sie sich bis Montagabend zurückziehen würde. Die Kommissionsmitglieder verschwanden einfach in der Wahlnacht. Selbst für serbische, ziemlich wilde Wahlverhältnisse war das ein Präzedenzfall. Man übergab die Bühne dem Staatspräsidenten.

Opposition klagt über zahlreiche Unregelmäßigkeiten

Die oben genannten vorläufigen Endergebnisse sind daher Projektionen von mehr oder weniger unabhängigen Meinungsforschungsinstituten. Statt des Präsidenten der Wahlkommission gab so Staatspräsident Vučić höchstpersönlich die Wahlergebnisse bekannt. Der serbische Autokrat betonte danach, niemand solle an den Ergebnissen zweifeln, die er gerade verkündet hatte.

Unklar sind allerdings noch die Wahlergebnisse in Belgrad, und das vermieste auch Vučić die Freude. So vermied er es in der Wahlnacht, wie alle anderen auch, zu Belgrad irgendwelche Aussagen zu treffen – jedes Spielchen damit hätte zu Straßenkrawallen führen können. Wer in Belgrad nicht regiert, der kann nur schwer in Serbien regieren.

Die Belgrader Wahlkommission hatte sich in der Wahlnacht irgendwo versteckt, und auch in den Morgenstunden am Montag kein einziges Wort von sich gegeben. Das zuverlässige Institut CRTA (Zentrum für Forschung, Transparenz und Verantwortung) teilte schließlich aufgrund von 96 Prozent bearbeiteter Wahlzettel mit: alle Oppositionsparteien zusammen und der regierende Block sind mit jeweils rund 45 Prozent fast ausgeglichen. Eine Oppositionspartei hat noch theoretische Chancen, die 3-Prozent-Hürde zu schaffen. Knapp über 1,6 Millionen Belgrader sind Wahlberechtigt.

Man wusste, dass nach europäischen Standards in Serbien keine fairen Wahlen stattfinden würden: die Propagandamaschinerie von Vučić kontrolliert den Großteil der Medien, seine SNS missbraucht seit einem Jahrzehnt alle staatlichen Ressourcen für Parteizwecke – von Finanzen, bis zur Polizei, Justiz und Geheimdiensten. Selbstverständlich ließ sich Vučić auch auf kein einziges TV-Duell mit anderen Kandidaten für das Amt des Präsidenten ein.

In Belgrad ist die Wahl noch nicht entschieden

Oppositionelle Parteien meldeten zahlreiche weitere Unregelmäßigkeiten: man erwischte SNS-Aktivisten mit Wahllisten in den Händen, die Druck ausübten, dass alle der rund 750.000 Parteimitlieder auch wählen gehen. Als Nachweis, dass sie „richtig“ gewählt haben, mussten sie Wahlzettel fotografieren.

Man vermeldete, dass wieder einmal Wähler mit Arbeitsplätzen oder dem Erhalten der Sozialhilfe massiv erpresst wurden, Vučić und seiner SNS ihre Stimme zu geben. Man berichtete von blanken Wahlzetteln, die nach Belieben benutzt wurden. Die Opposition sprach lauthals von „Phantomwählern“: nicht existierenden Menschen, die auf einer Adresse in Belgrad angemeldet seien; von massiven und organisierten Einbürgerungen von Serben aus Bosnien, die in Belgrad kurz vor den Wahlen angemeldet worden seien.

Da allerdings die staatliche Wahlkommission sich zurückgezogen und die Belgrader Wahlkommission ihre Tore gar nicht erst geöffnet hatte, konnten die Beschwerden nirgendwo eingereicht werden. Oppositionsparteien verkündeten in der Wahlnacht, dass sie um jede abgegebene Stimme kämpfen würden. In Belgrad ist die Wahl noch nicht beendet.

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