Sterne im alten Wassertank

Das Planetarium im Hamburger Stadtpark, eines der ältesten weltweit, hat nur acht Jahre als Wasserturm fungiert. Heute ist es ein Wissensvermittlungsort mit hochmoderner Simulationstechnik

Von Petra Schellen

Die Idee war von Anfang an eine ästhetische, repräsentative: Einen Wasserturm in den neuen Hamburger Stadtpark – einen „sozialen Park“ – zu bauen, war Anliegen des Oberbaudirektors Fritz Schumacher, und 1912 begann man den Bau. Dann kam der Erste Weltkrieg, fertig wurde der Turm erst 1916. Acht Jahre nur hat er dann als Wasserspeicher gedient, war wohl wirklich eher ein optisches Highlight.

Der Lehrer und Hobby-Astronom Hans Hagge focht in den 1920ern beim Senat für die Umwidmung in ein Planetarium. 1930 eröffnet, war es im Zweiten Weltkrieg Flak-Stellung, blieb aber im Großen und Ganzen intakt. Als 1945, nach Kriegsende, US-Soldaten das Gebäude besetzten, fungierte es bald wieder als das, was es bis heute ist: eines der dienstältesten Sternentheater weltweit, mit Immersionsbrillen und hochkarätiger, digitaler Simulationstechnik wie der „Himmelsmaschine“, einem optomechanischen Projektionssystem.

Ein bisschen widersinnig zwar, die Kuppel nicht als Aussichtspunkt ins All zu benutzen, sondern unter ihr das All täuschend echt zu simulieren, aber für die großen Himmelsteleskope gab es schon die 1802 gegründete, seit 1912 im nahen Bergedorf ansässige Sternwarte.

Das Planetarium dagegen sollte kein Ort der Forschung, sondern der Vermittlung sein, an dem Menschen das Universum, die Milchstraße, nahe und ferne Galaxien sehen, dreidimensional erleben, zwischen ihnen umherfliegen, Muster und Choreografie der Sterne erfassen können.

„Es geht auch um einen Perspektivwechsel“, sagt Astrophysiker Thomas Kraupe, der das Planetarium seit 2000 leitet. „Woher kommen wir, wohin gehen wir? Das sind die zentralen Fragen.“ Bis zu 13 Milliarden Jahre könne man ins Weltall zurückblicken, beginnend 300.000 Jahre nach dem sogenannten „Urknall“. Auch Shows zu Sternbildern gebe es, Künstlerperformances vor Sternenhimmel-Kulisse und DJ-Abende. Sogar eine Lesung aus Briefen der von den Nazis hingerichteten Geschwister Scholl vorm simulierten Sternenhimmel habe es gegeben.

Blick auch nach vorn und unter Wasser

Aber man richte den Blick auch nach vorn: „Habitat Erde – wie wollen wir leben“ heißt eins der Programme, und auch da wird man sehr konkret. „Mit unserer Technik können wir natürlich auch in die Ozeane schauen und die Folgen der Plastikvermüllung visualisieren. Oder die des steigenden Meeresspiegels und des Bevölkerungswachstums“, sagt Kraupe. Man wolle Bewusstsein wecken, auch durch begleitende, wissenschaftliche Vorträge mit Klimaforschern wie Mojib Latif und gehe mit dem „Klima-Iglu“ auch in Schulen.

Dabei ist das Planetarium– ein Landesbetrieb der Stadt Hamburg – kein Forschungsort, der eigene Daten produziert. Die bezieht man von Computerfirmen, die wiederum Daten auch der Nasa verarbeiten. „Wir nutzen in Echtzeit Daten aus dem All – das funktioniert ähnlich wie Google Earth“, sagt Kraupe. Was das Erlebnis so authentisch mache, denn die Wissenshaft habe eine Kommunikations-, eine Bringschuld, das werde hierzulande immer noch unterschätzt.

Dabei habe auch der ursprünglich als Gründungsdirektor vorgesehene jüdische Kulturwissenschaftler Aby Warburg auf Vermittlung und Visualisierung mit Multimediatechnik gesetzt: „Er war ein Visionär und hat als einer der ersten mit Diaprojektionen gearbeitet“, sagt Kraupe.

Warburg wurde nicht Direktor, er starb ein Jahr vor Eröffnung des Planetariums, und seine umfangreiche Bibliothek im nahen Warburg-Haus wurde 1933 nach London evakuiert, um sie vor dem Zugriff der Nazis zu schützen. Ein Teil der Sammlung Warburgs, der sich sehr für antiken Sternenglauben interessierte, sei aber noch in Hamburg, und den würde Kraupe irgendwann gern zeigen – natürlich multimedial auf neuestem Stand.

Dafür müsste aber erst mal das Geld da sein, um die Kuppel des Planetariums auszubauen und neben dem alten Wassertank auch diese Preziosen zu zeigen.