Museumsbund wählt Präsidentin: Wiebke Ahrndt soll's machen

Noch nie hatte der Deutsche Museumsbund eine Präsidentin. Nun hat der Vorstand die Direktorin des Bremer Überseemuseums vorgeschlagen.

Wiebke Ahrndt

Soll auf Vorschlag des Vorstands neue Präsidentin des Museumsbundes werden: Wiebke Ahrndt Foto: Markus Scholz (dpa)

BREMEN taz | Nicht, dass Wiebke Ahrndt nur Lob bekommen würde. Im Gegenteil: Einerseits wird die Direktorin des Überseemuseums für Völker-, Natur- und Handelskunde von den altgeborenen weißen Männern der Bremischen Öffentlichkeit angefeindet. Denn beharrlich treibt sie ja die Dekolonialisierung des Hauses voran, das sie seit 2002 leitet, und nimmt so den möglichen Verlust von Sammlungs-, im Klartext: Raubgut, in Kauf.

Diesen Prozess wiederum hat sie sogar selbst musealisiert und als eigene Abteilung in die Dauerausstellung aufgenommen. Das ist spannend. Andererseits zieht die gebürtige Braunschweigerin, die auf der Plenarsitzung am 10. Mai auf Vorschlag des Vorstands zur Präsidentin des Deutschen Museumsbundes gewählt werden wird, mitunter auch den Unmut der antirassistisch-engagierten Szene auf sich.

Denn eine Aktivistin, wie ihr Vor-Vorgänger Herbert Ganslmayr in den 1980ern, ist sie nun auch nicht. Dass es im Überseemuseum nach wie vor keine Führungen durch People of Color gibt und keine Ku­ra­to­r*in­nen­stel­len wird moniert. Und das koloniale Unrecht dort aufzuarbeiten, wo es so handgreiflich vorzuliegen scheint, wie eben in den ethnologischen Sammlungen, geht auch insgesamt viel langsamer und viel unspektakulärer voran, als es sich Teile der „Decolonize!“-Bewegung wünschen würden.

Deren starken emotionalen Druck kommt Ahrndt in ihrer sehr direkten, mitunter geradezu spröde-sachlichen Art wenig entgegen. Und dass sie für das scheinbar geringe Tempo mitverantwortlich ist, lässt sich nicht leugnen. Sie setzt auf akribische Aufarbeitung – und entfaltet damit bundesweit Wirkung.

Definition der Leitlinien

Denn immerhin ist sie seit 2013 federführend beim Erstellen der Handreichungen des deutschen Museumsbundes für den Umgang mit „Human Remains“ gewesen, also mit den von Völkerkundlern und Militärs unter dem Vorwand der Forschung gesammelten Schädeln, Skeletten und Mumien. Die jüngste Neufassung ist 2021 erschienen.

Ebenso hat die Altamerika-Expertin – in ihrer Dissertation hatte sie die Schriften von Alonso de Zurita untersucht, eines Beamten der spanischen Verwaltung Mexikos im 16. Jahrhundert – die Arbeitsgruppe geleitet, die Leitlinien eines guten musealen Umgangs mit Beständen aus kolonialen Kontexten definieren sollte. Vier Jahre hat das gedauert, seit 2021 liegt „die dritte und finale Fassung“ vor.

Und auch in ihr spielt das Problem der Inventarisierung eine Hauptrolle. Denn diese so basale Form der Wertschätzung hatten westliche Museen den in Afrika und in Ozeanien erworbenen Objekten verweigert. Die Sachen wurden einfach gehortet und angehäuft. Als dringlichsten kuratorischen Auftrag hat Ahrndt daher den „Wunsch, zu wissen“ bestimmt.

Ge­gen­kan­di­da­t*in­nen soll es bislang noch keine geben. An der Spitze des Museumsbundes wäre Ahrndt die erste Frau. Kein ganz neues Gefühl für sie: Von 2011 bis 2018 war sie bereits seine erste Vizepräsidentin.

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