Verkehrspolitisches Jahrhundertprojekt: Hamburg lockt Klagende

Die Kritik am Bau der neuen U-Bahn-Linie 5 wächst. Doch nun hat die städtische Hochbahn außergerichtliche Einigungen mit Klä­ge­r:in­nen erzielt.

Anjes Tjarks steht vor einem Plakat, dass den Streckenverlauf der U5 zeigt

Steht eisern hinter der U5: Umweltsenator Anjes Tjarks (Grüne) Foto: Georg Wendt/dpa

HAMBURG taz | Nun sind es nur noch sieben Kläger:innen: Nachdem neun betroffene An­woh­ne­r:in­nen Klage gegen den Bau der neuen U-Bahn-Linie 5 in Hamburg eingereicht hatten, hat sich die städtische Hamburger Hochbahn AG mit zwei Klä­ge­r:in­nen außergerichtlich geeinigt – sie ziehen ihre Klage vor dem Hamburger Oberverwaltungsgericht (OVG) zurück.

Da sich die Hochbahn auch in Gesprächen mit den restlichen sieben Klä­ge­r:in­nen befindet, ist sie optimistisch, den Gang vors Gericht über die Rechtmäßigkeit des Bauvorhabens abwenden zu können. Ob das realistisch ist, bleibt angesichts der umfangreichen umweltpolitischen Kritik an dem Vorhaben aber fraglich.

Hamburgs fünfte U-Bahn-Linie soll von den nordöstlichen Stadtteilen Bramfeld und Steilshoop zum Hauptbahnhof im Stadtzentrum und von dort weiter über die Universität und das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf bis zum Volksparkstadion im Nordwesten der Stadt führen. Mit diesem Jahrhundertprojekt will der rot-grüne Senat rund 100.000 Ein­woh­ne­r:in­nen erstmals an das Hamburger Schnellbahnnetz anzuschließen – und so den Autoverkehr verringern.

Hinzu sollen sich die Fahrtwege für die Anwohner:innen, die entlang des Streckenverlaufs auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen sind, drastisch verkürzen. Die Zahl der Menschen, die die U5 täglich nutzen werden, schätzen Verkehrsbehörde und Hochbahn auf 270.000.

Die Bauarbeiten haben bereits begonnen

Die Planungen dafür laufen bereits seit rund acht Jahren, in den kommenden Jahrzehnten soll das Projekt in mehreren Abschnitten nacheinander umgesetzt werden. So gab es für den ersten Bauabschnitt – von Bramfeld über Steilshoop in die City Nord – Ende September 2021 den Planfeststellungsbeschluss. Die Hochbahn hat nun auch erste Vorarbeiten in Gang gebracht. Dieser Tage wird die Baustellenfläche für die Tunnelbohrmaschine hergestellt.

Pia Seidel, Hamburger Hochbahn

„Unsere Juristen sind in Gesprächen mit allen Klägern“

Ende November 2021 hatten An­woh­ne­r:in­nen aus dem Stadtteil Bramfeld vor dem OVG Klage gegen das Bauvorhaben in diesem Abschnitt eingereicht. Die Hamburger Hochbahn bestätigt, dass von den ursprünglich neun Klagen nun noch sieben übrig sind. Darüber hatte zuerst das Hamburger Abendblatt am Montag berichtet.

Über den Inhalt der Einigungen will sich die Hochbahn nicht äußern – noch liefen schließlich weitere Gespräche. „Unsere Juristen sind in Gesprächen mit allen Klägern“, sagt Hochbahn-Sprecherin Pia Seidel. Das stimmt die Hochbahn optimistisch, den Klageweg vor das Oberverwaltungsgericht abwenden zu können. Auch in dieser Woche würden wieder Gespräche mit den Klä­ge­r:in­nen geführt werden. „Wir sind zuversichtlich, dass es zu einvernehmlichen Lösungen kommen wird“, sagt Seidel.

Allerdings ist das keineswegs gewiss. So geht es im Kreis der Klagen nicht einzig um Aspekte wie den anstehenden Baulärm, durch den die An­woh­ne­r:in­nen belastet werden – um Streitpunkte also, bei denen durch eventuelle Zahlungen oder Zugeständnisse vergleichsweise einfach Einigungen erzielt werden können.

Kritik wegen grauen Emissionen

Mindestens eine noch bestehende Klage bezieht sich auf die ökologischen Folgen des Baus. Grundlage der Kritik ist eine Studie, durchgeführt von Kri­ti­ke­rn, die dem Bau der unterirdischen Linie eine katastrophale Klimabilanz attestieren: Die Ingenieure Günter Betz und Stefan Knittel sowie der Volkswirt Thomas Philipp haben die zu erwartenden Emissionen ermittelt, die während dieser Arbeiten entstehen würden. Laut den Autoren sollen das insgesamt rund 10,2 Millionen Tonnen CO2 sein. Wie die Hochbahn diese Klä­ge­r:in­nen zu einer schnellen Einigung bekommen will, ist unklar.

Diese Kritik hatte zuletzt Rückenwind erhalten: Auch der aus Wis­sen­schaft­le­r:in­nen bestehende Klimabeirat der Stadt kritisiert den Bau der neuen U-Bahn-Linie. Bei den Entscheidungen über Infrastrukturprojekte müsse die Bilanzierung von Treibhausgasemissionen während des Baus und des Betriebs stärker als bisher beachtet werden. Explizit bemängelte der Beirat, dass dies beim Bau der Autobahn 26-Ost und beim Bau der U5 nicht geschehen sei. Den Senat fordert er auf, diese Berechnungen nachzuholen.

Die zum Kreis der Kri­ti­ke­r:in­nen gehörende Initiative „Elb­tram Jetzt!“, die statt der U-Bahn eine Straßenbahn fordert, hat deshalb die Hoffnungen noch nicht aufgegeben. „Schließlich wird immer klarer, dass die U5 nicht den versprochenen Beitrag zur Mobilitätswende leistet“, sagt Norbert Holtz von der Initiative. Zwar steht der grüne Verkehrssenator Anjes Tjarks vehement hinter dem Projekt, doch ist nicht der komplette grüne Landesverband glücklich mit dem Bau. „Wir hoffen da noch auf eine grüne Um­orientierung“, sagt Holtz.

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