Strafe bei Terminversäumnis: Wieder mehr Kürzungen bei Hartz IV

Der Arbeitsagenturchef ist gegen eine komplette Abschaffung von Sanktionen. Arbeitsminister Heil warnt vor Kriegsfolgen beim Jobmarkt.

Hubertus Heil mit Kindern auf dem Fußball

Besorgt wegen Kriegsfolgen: Arbeitsminister Heil spricht mit geflüchteten Kindern aus der Ukraine Foto: Moritz Frankenberg/dpa

BERLIN taz | Die Zahl der Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger:innen ist im vergangenen Jahr leicht gestiegen, bleibt aber auf einem deutlich niedrigeren Niveau als in der Zeit vor der Pandemie. Der Vorstandsvorsitzende der Bundesarbeitsagentur, Detlef Scheele, verteidigte am Montag Leistungskürzungen, die auch weiterhin bei Meldeversäumnissen ausgesprochen werden können. „Für eine sehr geringe Minderheit brauchen wir auch weiterhin eine Handhabe, wenn sie zum Beispiel Beratungsgespräche ohne Grund versäumen“, erklärte Scheele.

Im Jahr 2021 sprachen die Jobcenter fast 194.000 Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger:innen aus, knapp 23.000 mehr als im Jahr 2020. Laut Mitteilung der Bundesagentur für Arbeit (BA) wurden 2019 aber noch knapp 807.000 Leistungsminderungen verhängt.

Sanktionen sind mit Kürzungen beim Regelsatz verbunden, etwa weil ein:e Leis­tungs­emp­fän­ge­r:in eine Arbeitsmaßnahme ablehnt oder – was am häufigsten vorkommt – zu einem Termin ohne wichtigen Grund nicht erscheint. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2019 dürfen die Leistungen dabei um nicht mehr als 30 Prozent des Regelsatzes gemindert werden.

Der auffällige Rückgang bei den Sanktionen von 2020 gegenüber dem Vorjahr 2019 resultierte unter anderem aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts und den Umständen der Pandemie, hieß es bei der BA. Während der Pandemie wurden vor allem Beratungstermine am Telefon angeboten, wer die nicht wahrnahm, wurde aber nicht sanktioniert. Im vergangenen Jahr waren drei Prozent der Hartz-IV-Bezieher:innen in Deutschland von Sanktionen betroffen.

Ampelregierung plant „Bürgergeld“

Das Thema Sanktionen ist politisch brisant, denn die Ampel-Regierung hat Sanktionen aufgrund von Pflichtverletzungen für Hartz-IV-Empfänger:innen laut einem neuen Gesetz bis Ende des Jahres 2022 weitgehend aufgehoben. Dabei bleiben aber – entgegen den Wünschen der Grünen – Sanktionen wegen Terminversäumnissen weiter bestehen.

Das neu geschaffene „Bürgergeld“ soll die Pflichten zur Mitwirkung ab 2023 neu regeln

Nach Ablauf des Jahres 2022 soll das neu geschaffene „Bürgergeld“ die „Mitwirkungspflichten und die Folgen der Verstöße neu regeln“, heißt es im Gesetz zum Sanktionsmoratorium. Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagesfraktion, Stephan Stracke, hatte erklärt, ohne Sanktionsmöglichkeiten würde die Ampelkoalition ein „bedingungsloses Grundeinkommen schaffen“.

Nahezu „ausgewogen“

Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) warnte am Montag gegenüber der Nachrichtenagentur dpa vor den Folgen des Ukrainekrieges auch für Wirtschaft und Arbeitsmarkt. Man werde die Folgen des Ukrainekrieges noch „viele, viele Jahre“ zu spüren bekommen, sagte er. Er werde seinen Beitrag dazu leisten, dass die Folgen für den deutschen Arbeitsmarkt gedämpft werden. Er glaube, dass „äußere Stärke und Sicherheit sowie innerer und sozialer Frieden zwei Seiten derselben Medaille“ sind.

Eine am Montag veröffentlichte Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung kam zu dem Schluss, dass die beiden milliardenteuren Energie-Entlastungspakete der Bundesregierung sozial „weitgehend ausgewogen“ seien. Eine Lücke gebe es allerdings bei Rentner:innen, bei denen der Staat nur wenig der Mehrausgaben kompensiere. Die Entlastungspakete sehen unter anderem Energiekostenzuschüsse für Erwerbstätige, Einmalzahlungen an Hartz-IV-Empfänger:innen und Kindergeldzulagen sowie verbilligte Tickets für den öffentlichen Nahverkehr vor.

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