Die Versöhnerin

Die Österreicherin Hildegard Goss-Mayr schult seit Jahrzehnten weltweit Menschen in gewaltfreiem Handeln

BERLIN taz ■ Hildegard Goss-Mayr glaubt an das Gute im Menschen. Und hat damit Erfolg. Indem man Menschen gute Absichten unterstellt, werden sie gut. Nicht alle, aber viele. „Jeder Mensch hat ein Gewissen, das man ansprechen kann“, davon ist die 75-jährige gläubige Katholikin aus Wien überzeugt.

Schon ihr Vater, der Pazifist und Nazigegner Kaspar Mayr, hatte sich beim 1919 gegründeten Internationalen Versöhnungsbund engagiert, dem zahlreiche Friedensnobelpreisträger angehörten: Jane Addams, Martin Luther King oder der Argentinier Adolfo Pérez Esquivel, der in Hildegard Goss-Mayr und ihrem inzwischen verstorbenen Mann Jean Goss seine Vorbilder sah. Auch Goss-Mayr selbst wurde schon zweimal für den Friedensnobelpreis nominiert.

Es gibt kaum ein Land auf der Erde, das die promovierte Anglistin in ihrem über 50-jährigen Einsatz für Gewaltfreiheit nicht besucht hat. In den 50er-Jahren engagierte sie sich in Osteuropa, in den 60ern und 70ern in Lateinamerika, in den 80ern auf den Philippinen, in den 90ern in Afrika. Im Jahr 1975 wurde sie festgenommen, als sie den berühmten Befreiungstheologen und „roten Kardinal“ Arns in Brasilien besuchen wollte, zusammen mit Esquivel, dem Koordinator der von ihr mitgegründeten lateinamerikanischen Menschenrechtsorganisation Serpaj. Die Geheimpolizei entführte sie, brachte sie in ein Folterzentrum und beschuldigte sie der internationalen Verschwörung. Durch die Intervention des Kardinals kamen sie wieder frei.

1986 hatte das Ehepaar Goss maßgeblichen Anteil daran, dass der Aufstand gegen den philippinischen Diktator Marcos nicht in einem Blutbad endete. Zwei Millionen Menschen, allen voran die in ihren Seminaren geschulten Ordensfrauen, blockierten die Panzer. „Am Boden kniend, beten sie den Rosenkranz und weichen auch dann nicht einen Schritt zurück, als der erste Panzer direkt auf sie zufährt“, beschreibt Hildegard Goss-Mayr später die Szene. „Die Menge umringt die Panzer, ruft den Soldaten zu, sich mit ihnen zu solidarisieren, wirft ihnen Blumen und Zigaretten zu … Wenig später dreht die Panzerspitze ab.“

Indem man Menschen gute Absichten unterstellt, werden sie gut. Nicht alle. Aber manchmal die entscheidenden. UTE SCHEUB