Streit um Bau der Autobahn 100 in Berlin: FDP brüskiert die Grünen

Die Stadtautobahn wird weitergebaut, erklärt das Bundesverkehrsministerium. Das sei so nicht abgesprochen, sagen die Grünen in Bund und Berlin.

Menschen liegen auf der Straße bei einem Protest gegen den Autobahnbau

Klare Aussage: Protest gegen den Ausbau der A 100 in Berlin bereits 2010 Foto: dpaM

BERLIN taz | Autobahn – das ist im 21. Jahrhundert ein Wort mit einem gähnend langen „Baaahnnn“ am Ende. Genauso überholt wirkte zuletzt die Debatte um die Verlängerung der Berliner Stadtautobahn 100 bis weit in den Stadtteil Friedrichshain, erst recht nach dem Regierungswechsel im Bund zur Ampel. Doch ausgerechnet das FDP-geführte Bundesverkehrsministerium hat am Dienstag angekündigt, dass die Trasse mitten durch innerstädtische Wohngebiete nun doch gebaut werden soll. Sie bringt damit die Grünen in Bund und Berlin auf Tempo 180 und setzt den Profilierungskurs des kleinsten Koalitionspartners der Ampel auf Kosten der anderen beiden fort.

Für den 17. Bauabschnitt sei am Dienstag die Ausschreibung der Planung erfolgt, sagte die Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium, Daniela Kluckert (FDP), in einem Interview mit der Berliner Morgenpost. Kluckert betont: Mit der Ausschreibung „ist nun auch klar, dass weiter gebaut wird“. Immerhin soll die bisherige Planung der Strecke noch einmal „unter Umweltgesichtspunkten und anderen Kriterien, wie des Verkehrsaufkommens oder der Lärmbelastung“ überprüft werden und dann bis 2025 feststehen.

Derzeit wird der aufwändige und teure 16. Bauabschnitt der Autobahn zwischen Neukölln und Treptower Park fertiggestellt. 2024 soll die drei Kilometer lange Strecke eröffnet werden. In Berlin war davon ausgegangen worden, dass dies der letzte Teil der Verlängerungen sein sollte. Die Grünen hatten im vergangenen Wahlkampf zum Berliner Abgeordnetenhaus sogar Pläne vorgestellt, Teile des 16. Bauabschnitts zu einer normalen Bundesstraße umzuwidmen und mit Radwegen zu versehen.

Kluckerts Vorstoß sorgt denn auch für harsche Reaktionen bei den Grünen. Von einer „unnötigen Provokation der FDP“ und einem „Verstoß gegen Verabredungen im Koalitionsvertrag“ spricht Stefan Gelbhaar, Berliner Bundestagsabgeordneter und Sprecher für Verkehrspolitik seiner Fraktion. Das Ministerium habe es nicht einmal für nötig befunden, die Ver­kehrs­po­li­ti­ke­r*in­nen der Ampel über den Schritt zu informieren, sagte Gelbhaar der taz. Man werde das Vorgehen in der kommenden Sitzungswoche in mehreren Runden thematisieren.

Im Koalitionsvertrag war ein „neuer Infrastrukturkonsens bei den Bundesverkehrswegen“ vereinbart worden. Projekte wie die Autobahnverlängerung müssten vorher zumindest zwischen SPD, Grünen und FDP abgestimmt werden, sagt Gelbhaar.

Als „Verkehrspolitik von gestern“ bezeichnet Berlins Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) die Ankündigung. „Wir haben gerade alle Hände voll zu tun, den ÖPNV auszubauen und attraktiver zu machen, den Klimaschutz zu forcieren. Und jetzt soll als Priorität eine Autobahn durch die Stadt geschlagen werden?“ Man brauche keine neue Autobahn in der Stadt, sondern die Mobilitätswende. Jarasch äußert aber zumindest die Hoffnung, dass „sich das Bundesverkehrsministerium hier noch eines Besseren besinnt“.

„Autobahn-Fetischismus der FDP“

Und Werner Graf, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, nennt die Ausschreibung eine komplette Fehlleistung, sowohl verkehrs- wie sicherheitspolitisch. „Wie groß kann der Autobahn-Fetischismus eigentlich sein?“ Graf kündigt „erbitterten Widerstand aus Berlin“ an, sollte der 17. Bauabschnitt wirklich umgesetzt werden.

Das Land selbst aber kann auch nicht viel mehr tun als protestieren: Die Verlängerung der A 100 ist in einem Gesetz festgeschrieben, das der Bundestag erst ändern müsste. Allerdings war man laut taz-Informationen in Berlin zuletzt nicht davon ausgegangen, dass Bundesverkehrsminister Volker Wissing den Autobahnausbau tatsächlich angehen will. Auch Stefan Gelbhaar erkennt eine Inkonsequenz im aktuellen Vorstoß: „Erst kündigt Wissing an, eine Priorität auf die Sanierung etwa von Brücken zu setzen; nun kommt kurz danach der Vorstoß für ein Neubauprojekt – das passt nicht zusammen.“

Die Verlängerung der A 100 war lange Jahre eines der bestimmenden Themen der Landespolitik. Grüne und Linke haben sich stets dagegen ausgesprochen, der Kurs der SPD war nicht immer eindeutig – denn die Kosten dafür trägt komplett der Bund. Für den 16. Bauabschnitt mit seinen gut drei Kilometern Länge waren das anfangs rund 500 Millionen Euro; inzwischen dürften es mehrere hundert Millionen mehr sein. Die Strecke gilt als teuerste Straße Deutschlands.

2011 war am Streit um die A 100 eine Koalition zwischen SPD und Grünen gescheitert. Im aktuellen Koalitionsvertrag hat man sich darauf verständigt, den 17. Bauabschnitt in dieser Legislaturperiode nicht mehr in Angriff zu nehmen.

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