Drastisch gestiegene Lebensmittelpreise: FDP trotz Hunger für Agrosprit

Kraftstoff aus Pflanzen sei nötig im Kampf gegen den Klimawandel, so die Regierungspartei. Sie sieht kaum Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion.

Ein Rapsfeld und eine Windanlage im Hintergrund

Raps kann auf dem Teller, im Trog oder Tank landen Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

BERLIN taz | Die von mehreren Bundesministerien angestrebte Reduzierung des Einsatzes von Lebensmitteln als Kraftstoff droht an der FDP zu scheitern. „Biokraftstoffe sind eine wichtige Technologie zum Übergang in die Klimaneutralität des Verkehrs und oftmals durch den Einsatz von Abfällen und Reststoffen gar keine Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion“, sagte am Montag der taz Carina Konrad, die für Landwirtschaft und Umwelt zuständige Vize-Vorsitzende der Liberalen im Bundestag. Behauptungen über einen Konflikt „Tank gegen Teller“ griffen zu kurz.

„In der aktuellen Lage sind die kurzsichtigen Vorschläge zum Stopp der Beimischung kein echter Problemlöser, da die eingesetzten Pflanzensorten nicht für Nahrungsmittel verwendet werden können“, ergänzte die Abgeordnete. Ihre Partei hat die in der Ampelkoalition praktisch ein Vetorecht. Alle kostengünstigen Methoden zur Senkung des CO2-Ausstoßes müssten genutzt werden, sagte Konrad. „Denn steigende Energiepreise sind auch ein Risiko für die Ernährungssicherheit.“

Bisher dürfen die Mineralölkonzerne laut Bundesimmissionsschutzgesetz die von der EU geforderten Treibhausgaseinsparungen erfüllen, indem sie Benzin und Diesel Agrosprit beimischen, weil er offiziell eine bessere Klimabilanz hat als fossile Kraftstoffe. So werden laut Umweltministerium 4 Prozent des Energieverbrauchs im Straßenverkehr gedeckt, wofür etwa 9,8 Millionen Tonnen Rohstoffe wie Weizen, Raps, Mais und Soja eingesetzt werden. Sie kommen zu über 90 Prozent aus dem Ausland. Doch unter anderem wegen des Ukraine-Kriegs sind die Preise für solche Lebensmittel drastisch gestiegen, weshalb mehr Hunger in Entwicklungsländern befürchtet wird.

Zudem ist Agrosprit mehreren Studien zufolge klimaschädlicher als Erdöl, wenn man die Folgen des hohen Flächenverbrauchs einkalkuliert. Der Anbau für Agrosprit verdrängt laut Umweltministerium die Nahrungsmittelproduktion in Gebiete wie Wälder und Moore, was Rodungen und Trockenlegungen zur Folge habe. Diese Effekte würden nicht in der offiziellen Klimabilanz berücksichtigt.

Umweltschützer halten Agrosprit für klimaschädlicher als fossilen Treibstoff

Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) hatte deshalb erklärt, sie wolle den Einsatz von Agrokraftstoffen aus Nahrungs- und Futtermittelpflanzen weiter reduzieren. Das Umwelt- und das Landwirtschaftsressort möchten Greenpeace zufolge die Obergrenze für die Energie im Straßenverkehr aus solchen Pflanzen von bisher 4,4 Prozent ab dem kommenden Jahr halbieren. Das Umweltministerium wollte das nicht offiziell kommentieren. Ein Sprecher des ebenfalls von den Grünen geführten Agrarressorts sagte der taz, beide Ministerien hätten das Ziel, die Agrospritanrechnung „sukzessive auslaufen“ zu lassen. Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) hatte sich Agrosprit-kritisch positioniert. Die ebenfalls beteiligten Ministerien für Wirtschaft und Verkehr ließen eine Bitte der taz um Stellungnahme bis zum Redaktionsschluss unbeantwortet.

„Eine Gesetzesänderung, die lediglich vorsieht, den Anteil zu senken, und erst im kommenden Jahr greift, kommt zu spät und reicht nicht aus“, sagte Greenpeace-Sprecher Matthias Lambrecht. „Die steigenden Preise gefährden schon jetzt die ausreichende Versorgung von Millionen Menschen mit erschwinglichen Lebensmitteln.“

Martin Hofstetter, Agraringenieur der Umweltorganisation, wies die Gegenargumente der FDP zurück: „Nicht mal 25 Prozent der Biokraftstoffe, die bei uns eingesetzt werden, stammen von Abfällen oder Reststoffen wie Frittenfett. Der Großteil wird aus Lebensmittelpflanzen wie Getreide hergestellt.“

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