Erdgasförderung in Deutschland: Er will an die Nordsee

Bundesfinanzminister Lindner will Öl und Gas aus der Nordsee. Damit legt er sich mit seinen Koalitionspartnern an.

Blick auf das Ölfeld Mittelplate mit der gleichnamigen Bohr- und Förderinsel Mittelplate A der RWE und der Wintershall Holding GmbH in der Nordsee im Bundesland Schleswig-Holstein

Die Bohr- und Förderinsel Mittelplate A ist die einzige deutsche Offshore-Ölplattform Foto: picture alliance

BERLIN taz | Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) will Erdgas und -öl in der Nordsee fördern. Dem Magazin The European sagte er, er halte „die Festlegung des Koalitionsvertrages, dass wir in der Nordsee nicht mehr Öl und Gas fördern wollen und keine neuen Felder explorieren wollen“, für aus der Zeit gefallen. Die heimische Öl- und Gasexploration habe angesichts des gestiegenen Energiepreisniveaus eine ganz andere Wirtschaftlichkeitsperspektive, als man zuvor vermutet habe.

Bislang deckt Deutschland nur 5 Prozent seines Gasbedarfs von etwa 100 Milliarden Kubikmetern pro Jahr selbst. Sie stammen hauptsächlich aus Erdgasfeldern in Niedersachsen, dessen Landvorkommen weit größer als die Nordseevorkommen sind. Die Nordsee hat bislang einen Anteil von weniger als einem Prozent an der deutschen Erdgasförderung. Dort neue Vorkommen zu erschließen würde laut dem Ingenieurgeologen Tobias Mörz von der Universität Bremen zwischen fünf und zehn Jahre dauern. Die Situation beim Erdöl ist eine andere: Dessen Nordseevorkommen machen bereits mehr als die Hälfte der deutschen Erdölförderung aus. Insgesamt deckt Deutschland aber bislang nur etwa 2 Prozent seines Erdölbedarfs mit Eigenförderung.

Schon im Entlastungspaket, das die Bundesregierung als Reaktion auf die steigenden Energiepreise im Zuge des Kriegs in der Ukraine beschlossen hatte, wollte die FDP eine Erhöhung von Deutschlands Erdöl- und Erdgasförderung ankündigen. Das schaffte es aber nicht in den finalen Entwurf. Im Koalitionsvertrag hatten Grüne, SPD und FDP festgeschrieben, keine neuen Genehmigungen für Öl- und Gasbohrungen jenseits der erteilten Rahmenbetriebserlaubnisse für die deutsche Nord- und Ostsee erteilen zu wollen. Dementsprechend kritisch stehen die Bundestagsfraktionen von Grünen und SPD dem Vorstoß gegenüber. Die energiepolitische Sprecherin der SPD, Nina Scheer, sagte der taz, statt „blind neue Quellen zu erschließen oder weitere Investitionsentscheidungen in fossile Ressourcenförderung auszulösen“ sollte man sich auf den Ausbau der Erneuerbaren konzentrieren. Für die unmittelbare Versorgung solle die Bundesrepublik vorzugsweise auf europäische Importe setzen, „auch wenn es schwer wird, unseren Bedarf damit allein zu decken“.

Julia Verlinden, ökologische Sprecherin der Grünen-Fraktion, sieht das ähnlich: „Bevor wir weitere fossile Energiequellen anzapfen, die zusätzliche Umweltprobleme schaffen und unseren Klimaschutzbemühungen zuwiderlaufen, sollten wir lieber alles dafür tun, so viel Energie wie möglich einzusparen.“ Das Bundeswirtschaftsministerium wollte sich zu Christian Lindners Vorstoß nicht äußern.

In Niedersachsen gibt es am meisten Gas und Öl

Aus Niedersachsen kam bereits Anfang März der erste Vorschlag, mehr Erdgas zu fördern. Eigentlich sollten Bohrungen in der ganzen Nordsee verboten werden. Der Umwelt- und Energieminister Olaf Lies (SPD) sagte jedoch, die Situation habe sich wegen des Krieges in der Ukraine geändert. Jetzt sollen nur noch Bohrungen im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer verboten werden. Der niedersächsische BUND kritisierte, dass so „Fakten für die nächsten Jahrzehnte“ geschaffen würden. „Alle Anstrengungen müssen in wirksame Maßnahmen zur Energieeffizienz, zum Energiesparen und in den Ausbau erneuerbarer Energien fließen.“ Der BUND warnte vor Umweltzerstörung und „unkalkulierbaren Risiken“ durch den Austritt von Schadstoffen, Landabsenkungen und Erdbeben.

BUND Niedersachsen

So werden „Fakten für die nächsten Jahrzehnte“ geschaffen

Im deutsch-niederländischen Grenzgebiet plant das Unternehmen ONE Dyas die Erschließung eines Erdgasfeldes. Dort könnten laut dem BVEG schon innerhalb von drei Jahren bis zu zwei Milliarden Kubikmeter Gas gefördert werden, teilweise auch auf deutschem Gebiet. Dem muss Niedersachsen noch zustimmen. Ein Kubikmeter Gas sorgt beim Verbrennen für etwa 2 Kilogramm CO2-Emissionen.

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