Andreas Rüttenauer
Kulturbeutel
: Das Emirat Katar und die hohe Kunst des Kaufens

Als die halbe Fifa gerade in Katar weilte, weil da die Gruppenauslosung für die WM im kommenden Winter zelebriert wurde, stand Volker-Johannes Trieb auf dem Parkplatz vor der Zentrale des Fußballkonzerns in Zürich. Der Aktionskünstler aus Osnabrück hatte 6.500 mit Sand gefüllte Stofffußbälle auf den Asphalt drapiert. „Weltgewissen, du bist ein Fleck der Schande“ stand darauf geschrieben. Es war der Text zu dem Requiem für die 6.500 Bauarbeiter, die der Berichterstattung des Guardian zufolge an Baustellen für die WM im Wüstenemirat ums Leben gekommen sind, das da aufgeführt worden ist. Viel Sympathie hat Trieb auch deshalb für seine Aktion geerntet, weil es auch Leute aus der Fanszene des VfL Osnabrück gewesen sind, die die Säcke mit Sand befüllt hatten.

So eindrucksvoll die Kunstaktion auch war, in Katar wird man ihr keine besondere Bedeutung zumessen. Dabei gibt sich das Herrscherhaus des Emirats sonst gerne überaus kunstbeflissen. Und auch wenn Katars Kunsthändler nicht müde werden, allüberall auf der Welt die kostbarsten Kunstschätze einzukaufen, werden sie wohl die Finger lassen von der Trieb’schen Aktionskunst. Ein echter Trieb wäre ihnen wohl nicht allzu viel wert. Weit weniger in jedem Fall als jene 300 Millionen Euro, die angeblich aus Katar vor sieben Jahren für den Kauf eines Gemäldes von Paul Gauguin geflossen sein sollen.

Das Wörtchen „angeblich“ ist in diesem Zusammenhang deshalb nicht ganz unwichtig, weil niemand so ganz genau wissen soll, wer hinter dem Kauf steht und wie viel genau er gezahlt hat. Man kennt das aus Katar. Es weiß ja auch niemand so ganz genau, wie viel Geld es das Emirat gekostet hat, das WM-Turnier von der Fifa zu kaufen. So wie niemand bis heute erklären möchte, wie es kam, dass ein paar Millionen Euro vor der Vergabe der WM 2006 an Deutschland über eine Bankverbindung des deutschen Kaisers Franz Beckenbauer auf das Konto einer Gerüstbaufirma in Katar geflossen sind.

Die Ergebnisse der verdeckten katarischen Deals, sie sind dann allerdings kaum zu übersehen. Das WM-Finale im Dezember soll möglichst die ganze Welt verfolgen. Dass das Turnier das größte Event aller Zeiten wird, das hat Fifa-Präsident Gianni Infantino ja bereits verkündet. Wahrscheinlich hat er es auch per Dekret angeordnet. Ergebnisse des katarischen Kaufrauschs auf dem Kunstmarkt werden übrigens ebenso stolz präsentiert wie der Weltfußball. In Paris hat sich das Herrscherhaus von Emir Scheich Tamīm bin Hamad al-Thānī für etliche Millionen Euro in das noble Hôtel de la Marine an der Place de la Concorde eingemietet, um die wertvollsten Kulturgüter aus 6.000 Jahren Menschheitsgeschichte ausstellen zu können. Was man halt alles so zusammengekauft hat.

Aber wie es nicht anders sein kann, wenn es um Katar geht: Bei denen, die für den Reichtum wirklich schuften müssen, kommt kaum etwas an. Und so streikten die Wärter in Paris, weil sie nicht einsehen wollten, dass man ihnen für das Bewachen der teuersten Gegenstände der Welt nur ein paar Euro zahlen wollte. Ein paar Tage konnte die Ausstellung nicht öffnen. Am Ende setzten die Wärter ihre Forderungen durch. Viel gekostet haben dürfte das die Kataris nicht.