Die Wahrheit: Schock durch Grinsen

Polizisten in Irland sind stets unbewaffnet – und anscheinend sehr schnell aus der Fassung zu bringen, besonders außer Dienst.

Sie leben gefährlich, irische Polizisten. Neulich erst wurde ein Beamter hinterrücks angegrinst, als er in einem Hotel frühstückte. Er kam nur deshalb unbeschadet davon, weil er reaktionsschnell die Flucht ergriff. Die Täterin, eine 16-jährige Praktikantin, konnte von der Polizei gestellt werden. Sehr zum Ärger des Opfers wurde sie jedoch freigesprochen, der Antrag des Beamten auf Schadensersatz wurde vorvergangene Woche abgewiesen.

Der Polizist hatte mit seiner Familie einen „dringend benötigten Kurzurlaub“ gebucht und war wegen der ausgefallenen Heizung bereits schlecht gelaunt, als er mit Frau und Kindern zum Frühstück ging. Als die Kellnerinanwärterin die Familie bat, den Tisch zu räumen, weil die Frühstückszeit vorbei sei, platzte dem Ordnungshüter der Kragen.

Er fragte die junge Frau, ob sie ihn und seine Familie verjage, weil sie ausländisch aussähen. Daraufhin grinste die Praktikantin und ging weg. Er habe sich „erniedrigt und schockiert“ gefühlt, sagte der Beamte, zumal einige irische Spätesser freundlich von der Verjägerin begrüßt wurden. Das Gericht entschied jedoch, dass Grinsen keine Diskriminierung sei.

Irlands Unterwelt hat vermutlich interessiert zur Kenntnis genommen, dass man Polizisten durch Grinsen in einen Schockzustand versetzen kann. Und die Beamten sind wehrlos, denn Irlands Polizei ist unbewaffnet.

Erster Polizist nach der Unabhängigkeit

Das war nicht immer so. Als Patrick Joseph Kerrigan vor ziemlich genau 100 Jahren als erster Polizist nach der irischen Unabhängigkeit den Dienst bei der neuen Garda Síochána, den „Wächtern des Friedens“, antrat, trug er seine alte Waffe. Während der britischen Besatzungszeit hatte er der Royal Irish Constabulary (RIC) angehört, einer berüchtigten Einheit, die während des Unabhängigkeitskriegs brutal gegen die Rebellen vorgegangen war.

Deshalb wurden die ehemaligen RIC-Angehörigen nun von den jüngeren Rekruten misstrauisch beäugt. Das kulminierte im Mai 1922 in eine offene Meuterei. Die Regierung beschloss daraufhin vorsichtshalber, die Polizei zu entwaffnen. Da war Kerrigan aber nicht mehr dabei. Er war nicht nur der erste Polizist gewesen, sondern auch der erste, der hinausgeworfen wurde. Er hatte einen Gefangenen geschlagen, der ihn geärgert hatte.

Kerrigan trat nach seinem Hinauswurf in die Armee und 1924 in die Dublin Metropolitan Police ein, wo er im Polizeiorchester Klarinette spielte. 1926 wurde diese Einheit in die Garda Síochána integriert. So war Kerrigan plötzlich wieder da, wo man ihn vier Jahre zuvor hinausgeworfen hatte.

Doch dann wurde er krank, sein Gehalt wurde gekürzt, und er musste Schulden machen, um seine Familie durchzubringen. Als ihm die Geldprobleme über den Kopf wuchsen, flüchtete er in die USA. Er fälschte seinen Namen, machte sich sechs Jahre jünger und wurde zum Bigamisten. Vor drei Wochen hat man eine Ehrentafel für ihn am Polizeirevier seines irischen Heimatortes enthüllt.

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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kari

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