„Wir wurden Zeitungshelden genannt“

PANTER Vor zwei Jahren gewannen Sebastian Klauder und Philipp Gliesing für ihr Engagement gegen rechts den Panterpreis. Heute stehen sie in ihrem thüringischen Heimatort allein da

Die Verleihung: Die Panterfeier findet am kommenden Samstag, dem 19. September, ab 21 Uhr in der Komischen Oper Berlin, Behrenstraße 55–57, statt.

■ Das Programm: Sechs Heldinnen und Helden des Alltags sind für den Panterpreis 2009 nominiert. Moderieren werden Jörg Thadeusz und Bettina Rust. Musik gibt es von Maren Kroymann und Band.

■ Der Eintritt: Karten können noch bis einschließlich Dienstag unter www.taz.de/panter bestellt werden. Bis kurz vor knapp gibt es die Tickets für – je nach finanziellen Möglichkeiten – 0, 10 oder 20 Euro auch im taz-Shop in der Rudi-Dutschke-Straße 23.

VON PAUL WRUSCH

Hier in Pößneck kennt ihn jeder. „Wo laufen die Nazis denn nun?“, ruft einer der vier Männer, die vor dem Bahnhof der thüringischen Kleinstadt sitzen, mit Bierflaschen in der Hand.

Philipp Gliesing dreht sich um und zieht einen Flyer aus dem Rucksack. „Kein Fest der Völker!“ steht darauf, ein Aufruf zur Gegendemo zu dem geplanten Treffen von Neonazis in der Stadt. Gelassen reicht er den Männern den Zettel, schaut ihnen in die Augen.

Auf dem Weg vom Bahnhof in die Innenstadt erzählt der 25-Jährige, was er und seine Mitstreiter schon alles erreicht haben, hier in der thüringischen Provinz. „Die Jungs sind schon rechts angehaucht. Aber ich glaube, wir haben sie durch unsere Arbeit etwas sensibilisiert“, sagt er.

Ihre Arbeit, das ist der Kampf gegen rechts. Für den haben Philipp und sein Freund Sebastian Klauder 2007 den taz-Panterpreis bekommen.

Damals 50, heute nur drei

In Pößneck haben sie vor über vier Jahren das „Aktionsbündnis Courage“ (ABC) gegründet. Der Nazianwalt Jürgen Rieger hatte damals das örtliche Schützenhaus gekauft, es gab ein Rechtsrock-Konzert, im April 2005 belagerten 1.500 Nazis die Kleinstadt unweit von Jena. Für die 13.000 Einwohner war das ein Schockerlebnis, plötzlich waren sie sensibilisiert für das Thema Nazis in der Stadt.

Fast fünfzig meist jugendliche Mitstreiter hatten die heute 25-Jährigen damals. Punks, Linke, Normalos. Sie alle wollten den Rechten nicht die Hoheit überlassen. Jeden Monat gab es ein bis zwei Veranstaltungen: Demos, Infostände, Diskussionsrunden. Selbst der Chef der örtlichen Sparkasse unterstützte das ABC und stellte ein Büro im Dachgeschoss zur Verfügung. „Ein aufrechter Mann, einer von wenigen hier“, sagt Philipp. Einer, der die beiden Jungs sympathisch fand und ihre Arbeit wichtig.

„Aus etwas Negativem kann immer auch was Positives entstehen“

PHILIPP GLIESING ZUR NAZIDEMO SEBASTIAN KLAUDER

Heute sind sie nur noch zu dritt im ABC-Team. Einige Punks fanden das Bündnis zu seicht, andere verloren das Interesse, als es ruhiger wurde um die Nazis in der Stadt. Die Euphorie durch den Panterpreis konnte nicht ins ABC getragen werden. „Wir wurden Zeitungshelden genannt“, erinnert sich Sebastian. Immer weniger kamen zu den Treffen. „Die dachten wohl: Das sind die zwei Profis, die brauchen uns nicht mehr.“

Natürlich habe der Preis ihnen auch geschmeichelt, als Anerkennung für die Arbeit und als Entschädigung für die privaten Einbußen. Philipp etwa hat sein Studium geschmissen. Mit dem Preisgeld haben sie einen gedruckten Newsletter finanziert, der monatlich über ihre Arbeit informierte. Etwas von dem Geld ist noch übrig. Wirklich nachhaltig beflügelt hat der Panter das ABC aber nicht. Heute steht er eingestaubt auf der Klimaanlage des ABC-Büros im Dachgeschoss der Sparkasse. An der Wand hängen Zeitungsartikel über das ABC, Poster und Landkarten.

Während sich aber immer weniger Menschen in Pößneck gegen rechts engagieren, nehmen die Probleme in der Stadt wieder zu. Die juristische Auseinandersetzung um das Schützenhaus hat Nazianwalt Rieger Anfang des Jahres gewonnen. Die NPD hat sich hier festgesetzt, fährt mit Lautsprecherwagen durch die Straßen und verbreitet rechte Parolen. „Es werden auch wieder Leute zusammengeschlagen“, sagt Sebastian. Am Rande von Stadtfesten oder Konzerten etwa, zu denen linke Jugendliche oder solche, die nur so aussehen, gar nicht mehr gehen könnten.

Die Nazis fühlen sich wohl in Pößneck. Die jährliche NPD-Veranstaltung „Fest der Völker“ findet dieses Jahr hier statt. In Jena hat das linke Studentenmilieu zuletzt massiv gegengehalten. „Sie hoffen, dass sie hier auf wenig Gegenwehr stoßen“, sagt Sebastian. Das ABC hat die Gegenveranstaltung mitorganisiert, vielleicht eine der letzten großen Aktionen des Bündnisses.

Philipp und Sebastian haben nicht resigniert. Noch nicht. Gewissermaßen als Einzelkämpfer engagieren sie sich weiter, etwa im Mobilen Team, das an Schulen Seminare zum Thema Rechtsextremismus anbietet. Dafür bekommen sie etwas Geld. Die sonstige ABC-Arbeit haben sie heruntergefahren. Die Motivation wird geringer, wenn die Unterstützung abnimmt.

„Es werden auch wieder Leute zusammengeschlagen“

Hoffnung in der Stimme

Fragt man sie nach der Zukunft, ihrer persönlichen und der des ABC, werden die beiden still. Nach einer Weile sagt Philipp: „Eine Überlegung ist, das Aktionsbündnis noch bis zum fünften Geburtstag zu leiten und es dann abzugeben.“

Im nahen Neustadt an der Orla und in Pößneck selbst haben sich neue, kleine Initiativen zusammengetan. Das ABC-Büro in der Sparkasse könnte als Knotenpunkt für die gesamte Antifa-Arbeit der Region dienen, so ihr Traum – sie würden sich dann zurückziehen. Sie wollen ihr Engagement professionalisieren, sehen ihre Zukunft in der Politik. Philipp hat eine Linksjugend-Gruppe in Pößneck gegründet.

Für den ehrenamtlichen Kampf gegen rechts müssen neue Leute nachkommen. Es fühle sich seltsam an, aber irgendwie setzen Sebastian und Philipp auch auf das „Fest der Völker“ an diesem Samstag. „Aus etwas Negativem kann ja immer auch was Positives entstehen“, sagt Philipp. In seiner Stimme klingt viel Hoffnung mit.