Die SPD: Abrüstung war gestern

Abrüstung als großes Ziel, Frieden schaffen ohne Waffen – ihre traditionelle Programmatik hat die SPD als Regierungspartei aufgegeben. Und an „Wandel durch Handel“ glaubt sie auch nicht mehr so recht

Bestellt Tarnkappenbomber: SPD-Verteidigungsministerin Lambrecht Foto: Björn Trotzki/imago

Von Stefan Reinecke

Das Wahlprogramm der SPD 2021 vermittelte Klarheit. „Als die Friedenspartei setzen wir auf Diplomatie und Dialog, auf zivile Krisenprävention und Friedensförderung“, stand da. Man werde mit entschlossenen „abrüstungspolitischen Offensiven“ eine „Welt ohne Atomwaffen“ schaffen. Und zentral für die Friedenspartei SPD sei, ab jetzt Rüstungsexporte wirklich restriktiv zu handhaben. Dass man keine Waffen in Spannungsgebiete liefern würde, verstand sich hier von selbst.

Putins Krieg hat alles verändert. Nun liefert ein SPD-Kanzler Panzerabwehrwaffen und Stinger-Raketen in den Krieg in der Ukraine. Statt mit inter­na­tio­na­len Abrüstungsinitiativen zu glänzen, wird der Militäretat um 100 Milliarden Euro Sondervermögen aufgestockt – obwohl der Wehretat sowieso in den letzten sieben Jahren von gut 30 auf 50 Milliarden Euro gestiegen ist. Die SPD-Verteidigungsministerin kauft als Erstes Tarnkappenjets in den USA ein – pro Stück für über 100 Million Euro. Vor dem Abrüsten, falls das überhaupt wider auf die Tagesordnung kommt, wird jetzt erst mal aufgerüstet.

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich, der wie kein Zweiter für das Bemühen um zivile Konfliktverhinderung steht, bekam kürzlich in der Fraktion viel Beifall. Der Krieg habe viel verändert, aber die Haltung der SPD sei noch immer die gleiche, sagte er. Das klang eher nach Durchhalten und trotz alledem. In der SPD zieht tatsächlich nicht mehr der von allen anerkannte Abrüstungsexperte Mützenich die großen Linien. Das Sagen hat jetzt eher Michael Roth, der einflussreiche Vorsitzende des Auswärtige Ausschusses, der es schon seit Längerem für einen Trugschluss hält, „zu glauben, dass wirtschaftliche Verflechtungen zu mehr Stabilität und Frieden führen“.

Und das ist, neben der Abrüstung, der zweite Teil der SPD-Programmatik, von der Putins Raketen nicht viel übrig gelassen haben. Willy Brandt ließ 1970 Erdgasröhren in die Sowjetunion liefern – dafür bekam die Bundesrepublik Gas. Wandel durch Handel, das war die Devise.

Dass der Frieden sicher wird, wenn man gegenseitige wirtschaftliche Verflechtungen schafft, war für viele in der SPD eine Art Glaubensbekenntnis. In der SPD engagierten sich viele massiv für die umstrittenen Pipeline Nord Stream 2 – und dafür, Putin gegenüber lieber vorsichtig und stets auf Ausgleich bedacht aufzutreten.

Seit dem 24. Februar ist all das erst mal Geschichte.