RALPH BOLLMANN POLITIK VON OBEN
: Der engagierte Journalist

Dass Kollegen für Parteien Wahlkampf machen, scheint niemanden mehr aufzuregen. Doch als Mikrofonhalter für Belanglosigkeiten sehen sie gar nicht gut aus

Manchmal wundert man sich, dass man sich in Berlin als Einziger über etwas wundert. Es ist noch nicht lange her, da erregte sich die Medienbranche über Fernsehmoderatoren, die in ihrer Freizeit umfangreichen Nebentätigkeiten nachgingen. Es handelte sich überwiegend um Moderationen im Auftrag der Wirtschaft – der Sektkellerei Henkell etwa oder der Deutschen Bank.

Wenig später verschickte die CDU Einladungen zu drei Wahlkampfterminen, die alle von Journalisten moderiert wurden. Es handelte sich um den ehemaligen Intendanten eines Hörfunksenders, um die ehemalige Chefredakteurin eines Wirtschaftsmagazins und um einen ehemaligen Parlamentskorrespondenten. Ehemalig – das schließt, dachten sich wohl die drei, Interessenkollisionen aus.

Die Reputation der überparteilichen Medien, für die sie früher tätig waren, brachten die Journalisten zu den Veranstaltungen allerdings mit. Genau darum hatte die CDU sie engagiert. Ganz bewusst hatten die Parteistrategen das „Format“ der Diskussionsrunde gewählt, wie es im Neudeutsch der Werbebranche heißt. Wahlkampf soll bei der CDU nicht nach Wahlkampf aussehen, sondern nach einer unabhängigen Informationsveranstaltung.

Vor allem aber soll er langweilig sein. Die zahlreichen Rentner unter den Unionsanhängern, so das Kalkül, gehen sowieso zur Wahl. Sie haben schließlich nichts anderes zu tun und werden auch am 27. September für jede den Tag strukturierende Maßnahme dankbar sein. Die Anhänger der konkurrierenden Parteien hingegen möchte man nach Möglichkeit bis dahin nicht mehr aufschrecken.

Diesem Ziel dienten die Diskussionsrunden unter externer Leitung perfekt. Natürlich verzichteten die drei Kollegen auf die kritischen Fragen, die sie in früherer Funktion vielleicht gestellt hätten. Sie fügten sich in ihre Rolle als Mikrofonhalter für Belanglosigkeiten, die Spitzenpolitiker der Union über das Parteiprogramm, die Wirtschaftskrise oder die glorreichen Perspektiven CDU-regierter Ostländer verbreiteten. Sie taten es mit unterschiedlichem Geschick, aber sie taten es allesamt. Das war noch nicht einmal ihre Schuld, das lag in der Logik der Veranstaltung. Das Problem war, dass sie die Einladung überhaupt angenommen hatten.

Vermutlich werden dieselben Journalisten bei anderer Gelegenheit die Kampagne Angela Merkels als „Schlafwagenwahlkampf“ bezeichnen und nach dem 27. September die niedrige Wahlbeteiligung als Gefahr für die Demokratie beklagen. Möglicherweise wird auch der ein oder andere Kollege, der schon mal auf einer Parteiveranstaltung aufgetreten ist, die Nebentätigkeiten von Politikern sehr kritisch kommentiert haben. Ein Wunder, dass sich darüber noch niemand gewundert hat.

Der Autor leitet das taz-Parlamentsbüro Foto: Archiv