Gipfeltreffen von EU und China: Nicht nur auf Gewinne schauen

Die EU muss ihr Verhältnis zu China neu ausloten – und kitten. Insbesondere der Ukrainekrieg hat tiefe Risse sichtbar gemacht.

Chinesische Arbeiter montieren ein Auto

Arbeiter montieren ein Auto in einer VW-Fabrik in Changchun, Nordchina Foto: Xu Chang/imago

PEKING taz | Mehrfach wurde der EU-China-Gipfel bereits verschoben, doch nun sind seine Vorzeichen ungünstiger als je zuvor: Nur 48 Stunden vor dem virtuellen Treffen ist ausgerechnet Russlands Außenminister Sergei Lawrow in die Volksrepublik geflogen, wo er von seinem chinesischen Amtskollegen Wang Yi hofiert wurde. Man sei „noch stärker gewillt, die bilateralen Beziehungen zu entwickeln“ und auf „eine höhere Ebene“ zu katapultieren, ließ Pekings Spitzendiplomat ausrichten.

Für die EU sollten solche Aussagen als endgültiger Weckruf dienen, die Hoffnungen auf China als Vermittler in diesem Konflikt zu begraben. Und überhaupt hat der Ukrainekrieg wie kein zweites Ereignis der vergangenen Jahre tiefe Trennlinien sichtbar gemacht, die man zuvor aufgrund der florierenden Wirtschaftsbeziehungen nicht sehen wollte. Doch die herbe Enttäuschung darüber, dass Peking seinem strategischen Partner in Moskau auch weiterhin loyal beisteht, lässt sich nicht mehr ignorieren.

Am Freitag treffen nun die Vertreter der EU und China aufeinander, pandemiebedingt per Videoschalte. Noch 2019 war das größte Streitthema zwischen den zwei Seiten, wie man das gemeinsame Investitionsabkommen im Detail aushandeln würde. Doch seither haben sich die Verhältnisse deutlich verkompliziert.

Die chinesische Führung hatte sich zu Beginn des Virusausbruchs oft zu Unrecht in der Kritik gesehen. Und gleichzeitig verprellte sie die EU mit ihrer „Maskendiplomatie“, die – zu einem Zeitpunkt größten Leids – allen voran eine schamlose Propaganda-Inszenierung der eigenen Überlegenheit war.

China als stiller Nutznießer

Anfang 2022 ist zudem mit Litauen erstmals ein EU-Mitgliedsland ganz unmittelbar zum Opfer der chinesischen Wirtschaftsrepressionen geworden: Nachdem Vilnius es wagte, ein Taiwan-Vertretungsbüro zu eröffnen, stellte Peking vorübergehend den bilateralen Handel ein.

Chinas Hilfen für die Ukraine betragen bislang kaum mehr als 2 Millionen Euro

Doch der alles entscheidende Katalysator für die Eskalation der Beziehungen ist der Ukraine-Konflikt gewesen: Chinas Staatschef Xi Jinping hätte wohl als einzige Politiker Wladimir Putin zum Einlenken bringen können. Stattdessen jedoch versucht er sich nun als stiller Nutznießer zu positionieren. Seine Staatsmedien und Diplomaten verbreiten systematisch Kreml-Propaganda – und sind nicht gewillt, den Aggressor klar zu benennen. Nicht einmal „die Situation in der Ukraine“ überhaupt als Krieg zu bezeichnen.

„Unter den derzeitigen Umständen wäre das beste Resultat, wenn die EU zumindest eine Zusage Chinas erwirken kann, dass es die Bewältigung der humanitären Krise in der Ukraine unterstützt“, sagt Janka Oertel vom European Council on Foreign Relations mit Sitz in Berlin. Denn auch das wird oft vergessen: Chinas unter Trommelwirbel angekündigte Hilfslieferungen betragen bislang kaum mehr als 2 Millionen Euro. Die europäische Union hingegen hat bereits mit rund 500 Millionen Euro ausgeholfen.

Zersetzung durch Desinformation

All dies führt dazu, dass die EU ihre China-Strategie derzeit grundsätzlich überdenkt. Mittlerweile hat sich die Erkenntnis längst durchgesetzt, dass die Volksrepublik unter Xi Jinping nicht nur lukrativer Handelspartner, sondern allen voran eine systemische Herausforderung darstellt. Das wird nicht zuletzt daran deutlich, dass Chinas Parteiführung systematisch daran arbeitet, mit Desinformationskampagnen das westliche Ordnungssystem und seine Werte zu zersetzen. Peking kapert gezielt Begriffe wie „Demokratie“ und „Menschenrechte“, um diese für die eigene Agenda umzudeuten. Gleichzeitig setzt man die wirtschaftliche Stärke ein, um Kritik am eigenen System bereits im Vorhinein zu unterbinden.

Viele europäische China-Experten rufen händeringend dazu auf, dass Brüssel die wirtschaftlichen Abhängigkeiten von der Volksrepublik verringert. Gerade die deutsche Regierung wollte die langfristigen Gefahren bis zuletzt nicht wahrhaben, schließlich hängt der Wohlstand der Bundesrepublik so stark vom Marktzugang ab wie in sonst kaum einem anderen EU-Land. Doch der politische Wille ist zahnlos, wenn nicht auch die heimischen Unternehmen am selben Strang ziehen. Nach wie vor scheinen europäische Wirtschaftsvertreter in China die Gefahr der Abhängigkeit nicht sehen zu wollen: Sie schauen vor allem auf ihre Jahresgewinne, nicht jedoch auf die Geopolitik.

Dabei sollte spätestens nach den staatlich orchestrierten Boykotten gegen H & M, Adidas und Co längst klar sein: Wer Kritik äußert und die „rote Linie“ Pekings überschreitet, bekommt umgehend den Zorn der Politik zu spüren.

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