Geh vor die Tür und schau dich um

Das Gebrauchtwaren-Kaufhaus NochMall zeigt eine Ausstellung zum Abschied von der Plastiktüte

Von Nora Rauschenbach

Seit Januar dieses Jahres ist die Ausgabe sehr dünner Plastiktüten mit einer Wandstärke von weniger als 0,05 Millimetern an der Kasse verboten. Dünnere Tüten, Wandstärke unter 0,015 Millimetern, sind für offene und leicht verderbliche Lebensmittel wie Fleischwaren oder Obst aber weiterhin erlaubt. Dies haben sich die Initiatorinnen der Gruppenausstellung „Die letzte Tüte“, Christl Mudrak und Alex Müller, zunutzegemacht, indem sie noch bis zum 9. April im Gebrauchtwarenhaus NochMall, das die BSR betreibt, Kunst zeigen, die auf die Müllproduktion reagieren soll.

Zu sehen ist unter anderem eine in Marmor gemeißelte Plastiktüte von Markus Wüste. Dieses Kunstobjekt könnte verdeutlichen, wie beständig das Material Polyethylen, aus dem die meisten Plastiktüten gemacht sind, im Grunde ist – für die Person, die das beim Anblick der leichten Tütchen doch einmal vergisst. Die Berliner Künstlerin Monika Jarecka hingegen hat sich dazu entschieden, 50 benutzte Shoppingtüten zu besprühen, die dann in der NochMall erworben werden können.

Das alles ist ja ganz nett. Allerdings sind die Künst­le­r*in­nen da bei Weitem nicht die Ersten. Man denke etwa an die Ausstellung „Adieu Plastiktüte“ in Stuttgart von 2019 oder auch an die brasilianische Künstlerin Jac Leirner, die ebenfalls 2019 für ihre „Museum Bags“ mit dem Wolfgang-Hahn-Preis des Kölner Museum Ludwig ausgezeichnet wurde und noch bis 14. April bei Esther Schipper ausgestellt ist. Fasst man das Thema Umweltverschmutzung weiter, ist das künstlerische Angebot noch breiter aufgestellt.

Stellt sich die Frage: Warum jetzt? Klar, der Aktualitätsfaktor ist durch das neue Gesetz allemal gegeben. Doch reicht das aus? Schließlich führen wir die Klimadebatte schon seit Jahrzehnten. Ich glaube, ich spreche hier für die ganze Generation der 90er-Kinder, wenn ich sage: Wir sind so aufgewachsen, dass wir zum Einkaufen den alten, verwaschenen Jutebeutel mitnehmen, statt nach einer Plastiktüte zu fragen. Meine Mutter ist stets mit dem Lederrucksack auf dem Fahrrad zum Einkaufen gefahren.

Selbst wenn die Ausstellung im Secondhand-Kaufhaus in Reinickendorf nicht die erste ihrer Art ist, bleibt die Thematik aktuell. Man muss nur mal bei mir im Wedding vor die Tür gehen. Keine fünf Meter, bis einem der erste Müll auf dem Gehweg und auch die erste Plastiktüte begegnet – oftmals, das ist kein reines Phänomen des Wedding, direkt neben dem Mülleimer. Bloß woher kommen die Tüten, wenn sie eigentlich immer mehr verboten werden? Meine These: Dönerumverpackungen und Hundekotaufsammelhelfer, die entweder versehentlich aus der Tasche des*­der Hun­de­hal­te­r*in gefallen sind oder auch halb absichtlich in der Natur landeten, weil der Weg zum Müll dann doch zu weit war.

Das zeigt aber ebenso, dass der Titel der Ausstellung eher missglückt ist. Denn sogar wenn von jetzt an im Einzelhandel strengere Regeln gelten, wurde 2021 nicht die letzte Tüte herausgegeben. Auch dieses Jahr werden leider weiter Plastiktüten in der Natur landen.

Zudem bleibt die Frage, ob die NochMall als Ausstellungsstätte unbedingt der richtige Ort ist. Sicherlich reiht sich das Thema Müllerzeugung auf den ersten Blick wunderbar bei der BSR ein, aber sind die Menschen, die die NochMall besuchen, nicht eh mit der Thematik vertraut? Unter ihnen kann man vor allem überzeugte Um­welt­schüt­ze­r*in­nen und notorische Ge­braucht­wa­ren­käu­fe­r*in­nen vermuten. Denen muss nicht vor Augen geführt werden, in welchem Ausmaß die Plastiktüte Schaden anrichtet. Passender wäre die Ausstellung in einem Luxuskaufhaus oder einer großen Shoppingmall aufgehoben gewesen.

NochMall, Auguste-Viktoria-Allee 99, bis 9. April