Jasmin Ramadan
Einfach gesagt
: Im Sandkasten

„Jetzt hören Sie aber auf, Sie Auslaufmodell!“

„Sie Alman!“

„Sie sind doch selber Alman, junge Dame!“

Ein Indianer kennt keinen Schmerz!“, schreit der weißhaarige Vater, als sein Sohn heulend unter der Wippe liegt.

„Reden Sie keinen Scheiß!“, ruft eine Frau von der Rutsche rüber, „so redet man nicht mehr, das weiß doch jedes Kind!“

„Junge Dame, ich rede und erzieh’meinen Sohn, wie ich will, und er wird einen gehörigen Vorteil haben, in dieser Weichwelt als Schmerzunempfindlicherer!“

„Gott, das ist ja vorvoriges Jahrhundert!“, sagt ein junger Vater.

„Aber echt!“, sagt die Frau. „Mal abgesehen von dem Harte-Männer-Unsinn meinte ich übrigens das Indianer-No-Go, und von wegen kein Schmerz! Wissen Sie eigentlich, wo der ganze Schwachsinn herkommt?!“

„Klar, von Karl May, hab ich verschlungen als Junge“, sagt der Herr, „da hab ich was gelernt über die Welt!“

„Welt, hahaha! Karl May kam aus Sachsen und hat seinen weißen Arsch da niemals rausbewegt!“

„Tja! Der Mann hatte eben noch Fantasie und große Sympathie für andere Kulturen. Warum wird das denn heutzutage so runtergemacht, ist doch was Feines!“

„Rassismus ist ’ne ernste Angelegenheit, da wird Fantasie zum Problem!“

„Karl May hatte ja nun gar keine Ahnung von der Kultur und Lebenswirklichkeit indigener Völker!“, ruft jemand von der Schaukel rüber.

„Ach, und wenn man sich mit dem Nahostkonflikt bestens auskennt, darf man ein Palästinensertuch zum Sakko tragen oder wie oder was?“, fragt der ältere Herr.

„Man darf so einiges, es ist trotzdem scheiße.“

„Das heißt Kufiya“, murmelt ein Au-pair.

„Wo geht das los, Leute, darf ich jetzt kein Yoga mehr machen und muss ich meine Batiktücher entsorgen?“, fragt eine Frau.

„Es wäre vielleicht gut zu wissen, was du da eigentlich machst und wie Yoga historisch einzuordnen ist!“

„Was ist Yoga, Mama?“

„Das ist ein Sport für überrationale Frauen, um wieder körperlicher zu werden!“, ruft der ältere Vater.

„Jetzt hören Sie aber auf, Sie Auslaufmodell!“

„Sie Alman!“

„Sie sind doch selber Alman, junge Dame!“

„Ganz genau, und deshalb darf ich Sie auch so nennen, Sie keimende Kartoffel!“

„Ach ja? Und warum darf man mich rassistisch beleidigen und ich darf nicht mal die Schmerzunempfindlichkeit der Indianer, meinetwegen Ureinwohner, preisen?!“

„Alman zu sagen, ist kein Rassismus, sondern ’ne individuelle Beleidigung, ich schätze mal, das können Sie ab, sie sind doch so ein harter Typ!“

„Woher wissen Sie denn, was ich für ein Typ bin und was meine Geschichte ist?“

„Wollen Sie drüber reden?“

„Ach, und dabei rauchen wir Marihuana aus der Friedenspfeife? Oder ist das auch Kulturklau? In Deutschland wurde das wohl nicht erfunden, mehr so in Jamaica, wie die Dreadlocks, oder?“

„Sie haben ja doch ein bisschen Ahnung von was, bilden Sie sich doch auf ihre alten Tage mal so richtig fundiert weiter, das beugt auch Senilität vor!“

„Wissen Sie, junge Frau, ich verstehe vieles von den neuen Gesetzen zum Gutsein tatsächlich nicht so recht, aber ich weiß, dass das jetzt verpönte Altersdiskriminierung war!“

„Dann reden Sie nicht so dummes Zeug, als könnten sie nicht um die nächste Ecke denken, echt traurig!“

„Jetzt schieben Sie hier nicht den Blues! Hör’ich übrigens sehr gern, Blues, und ich weiß auch sehr wohl um die Geschichte dieser Musik.“

„Dann wissen Sie ja doch ’ne Menge über Rassismus und Schmerz.“

„Ja, ist beides ’ne große Sache, und um Schmerz kann keiner drum rum.“

„Dann sagen Sie das ihrem Kind!“