Studien zeigen schon eine Stadtmüdigkeit. Von Stadtflucht ist nicht zu reden

Von Juliane Preiß

Falls es überhaupt eine Stadtflucht gibt, ist es eher eine auf kurze Distanz. Denn zwar sehnen sich viele Großstädter nach mehr Grün, vor allem in Pandemiezeiten. Doch zu weit ab vom Schuss ist auch nichts. Rund 13 Prozent der Großstädter wollen diese laut einer aktuellen Studie des Ifo Instituts und der Immobilienplattform Immowelt in einem Zeitraum von zwölf Monaten verlassen. Ziel ist bei den meisten (37,5 Prozent) eine kleinere Großstadt mit bis zu 500.000 Einwohnern. Rund 30 Prozent zieht es in die Vororte beziehungsweise Speckgürtel. Einen Umzug aufs Land können sich nur etwa elf Prozent vorstellen.

Am ehesten verlässt die Altersgruppe 30 bis 50 die Metropolen, fand das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) heraus. Die zieht es in Landkreise mit Großstadtnähe. Am deutlichsten sieht man das im Landkreis Barnim (Brandenburg). Der Wanderungssaldo zwischen Zuzügen und Wegzügen ergibt dort ein Plus von 35 je 1.000 Einwohnern. Die Frage ist, ob man diesen „Trend“ fürs Landleben nicht eher Verdrängungseffekt nennen sollte, denn die immer weiter steigenden Mietpreise treibt die Menschen wohl eher aus der Stadt als pandemiebedingt geschlossene Kneipen.

Was diese Entwicklung für die suburbanen Gebiete bedeutet, ist vorhersehbar. Die Erschließung von Neubaugebieten versiegelt Flächen, der Pendlerverkehr nimmt zu, und auch im Speckgürtel steigen die Mieten und Immobilienpreise. Die Studie des IW ergab, dass die Durchschnittsimmobilie, die der Deutsche aktuell kauft, 132 Quadratmeter hat. Die Kosten dafür liegen im Schnitt bei 354.000 Euro. Für diesen Preis gibt es im Landkreis München 43 Quadratmeter Wohnung, im Kyffhäuserkreis im Norden von Thüringen hingegen 410 Quadratmeter.

Was ist aber, wenn stadtmüde Menschen nicht dem Eigenheimtraum hinterherhecheln, sondern eher auf der Suche nach einem speziellen Lebensgefühl sind? Die Bertelsmann-Stiftung beschäftigt sich in Trendstudien mit den Phänomenen Coworking im ländlichen Raum und digitalen Landpionieren. Sie schreibt über die Zielgruppe: „Es ist das Nebeneinander von Glasfaserkabel und Streuobstwiese, was die Herzen höher schlagen lässt.“ Vorgestellt werden verschiedene Arten von Coworking-Initiativen und die Beweggründe der Menschen, die diese Arbeitsform wählen. Als „rurbane Gründer:innen“ werden sie bezeichnet, eine Mischung aus urban und rural. Wichtig sind schöne, naturnahe Arbeitsorte mit guter, technischer Infrastruktur, eine nette Community zum Austausch, und sie alle eint das Ziel, den ländlichen Raum nachhaltig zu stärken.

Diese Lebensform wird allerdings keine Stadtflucht anzetteln. Fakt ist immer noch, dass im Jahr 2020 über 77 Prozent der deutschen Bevölkerung in Ballungszentren gelebt haben, Prognose steigend. Auch wenn Studien etwa vom Leipziger Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung belegen, dass Corona das Wachstum vorerst mal ausgebremst hat.