Zum Tod von Madeleine Albright: Mit Charme und starken Ellenbogen

Madeleine Albright war die erste weibliche Außenministerin der USA. Ihre Lebensgeschichte ließ sie zur Warnerin vor dem Faschismus werden.

Nahaufnahme Madeleine Albright

Madeleine Albright (1937-2022) Foto: Carlo Allegri/reuters

BERLIN taz | Die USA waren Deutschland wieder einmal 25 Jahre voraus. Ein Vierteljahrhundert, bevor Annalena Baerbock Außenministerin wurde, machte Präsident Bill Clinton mit Madeleine Albright erstmals eine Frau zur obersten Diplomatin. Am Mittwoch ist sie mit 84 Jahren in Washington gestorben.

Ab 1993, als Clinton ins Weiße Haus einzog, war sie die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, ab 1997 dann vier Jahre lang Außenministerin. Es waren die Jahre der Kriege im ehemaligen Jugoslawien, des Völkermords in Ruanda und der Furcht vor den Absichten des irakischen Diktators Saddam Hussein, denen die USA mit Sanktionen und Bombardements entgegentraten.

Albright war zwar stets einen Kopf kleiner als die anderen auf den Fotos, aber sie wusste sich durchzusetzen – mit Charme, wo es möglich war, mit Ellenbogen, wenn es anders nicht ging. Einmal zeigte sie dem Außenminister von Botswana bei den Vereinten Nationen, wie man Macarena tanzt.

Aber sie zögerte nicht, 1996 eine zweite Amtszeit des ägyptischen UNO-Generalsekretärs Boutros Boutros-Ghali mit einem einsamen Veto im Sicherheitsrat zu verhindern. Subtilere Nachrichten sandte sie über ihre Anstecknadeln am Jackett: Nachdem Saddam Hussein sie als „unvergleichliche Schlange“ beschimpft hatte, trug sie eine geschlängelte Brosche am Revers.

Die Eltern verschwiegen die jüdischen Wurzeln

Sie hat Geschichte nicht nur gemacht, sondern auch durchlebt: Ihr letztes Buch erschien 2018 und hieß „Fascism: A Warning“. Damit fasste sie ihre Lebensgeschichte in nur drei Worten zusammen. Es beginnt mit den Sätzen: „An dem Tag, an dem die Faschisten zum ersten Mal in mein Leben eingriffen, hatte ich gerade erst laufen gelernt. Es war der 15. März 1939.“ Ihr Vater Josef Korbel war tschechischer Diplomat. Noch im selben Jahr flüchtete er mit seiner Familie nach London und schloss sich der tschechischen Exilregierung an. Nach dem Sieg über Hitler kehrte die Familie nach Prag zurück.

Doch 1948 übernahmen moskautreue Kommunisten dort die Macht, und sie flüchteten erneut, diesmal in die USA, wo sie großzügig aufgenommen worden seien. Zeitlebens blieb sie dieser, wie sie sagte, speziellen, gar „unentbehrlichen“ Nation dankbar.

Die Eltern verschwiegen Madeleine, die katholisch erzogen wurde, ihre wahre Familiengeschichte: Drei ihrer Großeltern waren Juden und wurden wie zahlreiche weitere Verwandte von den Nationalsozialisten ermordet. Erst 1996 brachten Recherchen der Washington Post dies ans Licht.

Die Geschichte ihrer Familie sorgte für ihr frühes Interesse an Außenpolitik. Sie wurde Journalistin und Professorin mit dem Schwerpunkt Ost­europa. Schon Präsident Jimmy Carter machte sie zur Mitarbeiterin im Nationalen Sicherheitsrat, danach beriet sie mehrere Präsidentschaftskandidaten der Demokraten.

„Ihr habt keine Eier, sondern seid nur feige!“

Ihre Gegnerschaft zur Tyrannei in jeder Form führte nicht immer dazu, dass sie als Außenministerin das Richtige tat. Jahre später räumte sie ein, dass der größte Fehler in ihrer Karriere das Nichthandeln der USA und der internationalen Gemeinschaft angesichts des Völkermords in Ruanda 1994 gewesen sei. Die Dinge seien damals schwierig einzuschätzen gewesen, rechtfertigte sie sich gegen die Kritik des damaligen UN-Kommandeurs Roméo Dallaire.

Sie hat etliche Despoten erlebt und war doch immer wieder erstaunt, dass viele von ihnen – sei es Viktor Orbán, Hugo Chávez oder Recep Tayyip Erdoğan – anfangs als Rebellen auftraten, sich dann aber so an ihrer Macht ergötzten, dass sie dem Autoritarismus anheimfielen.

Eines ihrer berühmtesten Zitate richtete sich an die Adresse Fidel Castros: Als der 1996 zwei aus Miami kommende Kleinflugzeuge auf offener See abschießen ließ und die Piloten der Abfangjäger sich brüsteten, sie hätten den Exilkubanern „die Eier weggeschossen“, verurteilte sie dies ganz unladylike: „This is not cojones, it is cowardice“ – zu Deutsch etwa: „Ihr habt keine Eier, sondern seid nur feige.“

Donald Trump war für Madeleine Albright ein antidemokratischer Präsident

2008 und 2016 unterstützte sie Hillary Clinton im Präsidentschaftswahlkampf. Sie begründete dies mit den Worten: „Es gibt einen speziellen Platz in der Hölle für Frauen, die einander nicht beistehen.“ Vor allem jüngere Frauen, die lieber den Sozialisten Bernie Sanders im Weißen Haus gesehen hätten, waren damit nicht unbedingt einverstanden. Am Ende siegte Donald Trump, den Albright „den ersten antidemokratischen Präsidenten in der modernen Geschichte der USA“ nannte.

Anfang 2000 traf sie den in den USA damals weitgehend unbekannten neuen Präsidenten Russlands – Wladimir ­Putin. Hinterher notierte sie ihre Eindrücke: „Putin ist klein und blass, so kalt, dass er fast wie ein Reptil erscheint.“ Er sei beschämt und entschlossen, die auseinandergebrochene Sow­jet­union zu alter Größe zurückzuführen. In ihrem letzten Beitrag für die New York Times, der einen Tag vor dem russischen Angriff auf die Ukraine erschien, urteilte sie, Putin sei dabei, einen historischen Irrtum zu begehen.

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