Unfaire Verteilung der Folgen

KLIMAWANDEL Viele Lieferanten des fairen Handels müssen sich an veränderte Umweltfaktoren anpassen, die nicht von ihnen, sondern der industrialisierten Gesellschaft verursacht wurden. Ihre Antwort: nachhaltige Produktion

Egal, ob man Anbaumethoden ändert, neue Geräte kauft, umzieht oder umschult – immer braucht man Geld

VON ANNETTE JENSEN

Kaffee ist in Uganda traditionell ein wichtiges Exportgut. Auch der faire Handel bezieht von dort einen erheblichen Teil seiner Bohnen. Noch. Klimaforscher prognostizieren, dass sich die Bedingungen für den Anbau in den kommenden Jahren deutlich verschlechtern werden. Weil Kaffeepflanzen eine sehr begrenzte Temperaturtoleranz haben, wird sich der Anbau voraussichtlich in ein paar Jahren kaum noch lohnen.

Schon heute berichtet die Entwicklungsorganisation Oxfam von verzweifelten Bauern, die über massive Veränderungen des Wetters klagen. Willington Wamayeye, Leiter einer Kaffeekooperative am Berg Elgon in Ostuganda, erzählt von der zerstörerischen Wirkung der nur noch kurzen, dafür umso heftigeren Regenperioden seit ein paar Jahren. Im vorletzten Jahr haben die Kaffeesträucher deshalb kaum noch geblüht und die Genossenschaft erntete 40 Prozent weniger als früher. Ähnliches berichtet Florence Madamu über den Westen des Landes. Verzweifelt pflanzen sie und ihre Nachbarn immer wieder nach und hoffen, am Ende doch noch eine einigermaßen ausreichende Menge an Kaffeekirschen pflücken zu können. Doch die Unwägbarkeit gibt ihnen immer stärker das Gefühl, ausgeliefert und ohnmächtig zu sein.

Auch viele Reisbauern auf den Philippinen oder in Vietnam machen solche Erfahrungen. Und ebenso bedroht ist die Lebensgrundlage von Hunderttausenden von Menschen auf Sri Lanka und in Kenia, die heute vor allem von der Teeproduktion leben.

Während der Klimawandel die Bedingungen für die Landwirtschaft in Nordeuropa, Kanada oder Sibirien verbessern dürfte und Baden-Württemberg schon die Ausweitung seiner Weinbaugebiete plant, sieht es für die Bauern in vielen Drittweltländern düster aus. Ausgerechnet Afrika, das kaum zum Klimawandel beigetragen hat, wird nach den Prognosen der Klimaexperten am stärksten betroffen sein. In den Gebieten südlich der Sahara könnten 15 bis 30 Millionen Hektar Ackerboden unfruchtbar werden, warnt die UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO). Selbst wenn der Ausstoß an Klimagasen heute gestoppt würde, sind viele Veränderungen unaufhaltbar.

Lange haben sich Nichtregierungsorganisationen darauf konzentriert, den Klimawandel zu verhindern. Auch viele Fairhandelsaktivisten erkennen, dass sich ihre Lieferanten an neue Umweltbedingungen werden anpassen müssen, wenn sie ihre mühsam aufgebaute Existenzgrundlage nicht verlieren wollen. Dabei fehlt es den Kleinproduzenten meist an Informationen, was in ihrer Region zu erwarten ist. Häufig wissen auch ihre Regierungen nicht Bescheid. Die Herausforderungen für die Kleinbauern sind riesig. Sie müssen nicht nur in der Gegenwart möglichst gute Qualität für den Export abliefern, sondern auch Pläne für eine Zukunft schmieden, in der andere natürliche Bedingungen herrschen werden. „Der faire Handel kann immerhin einen Beitrag leisten, damit das gelingt. Denn egal, ob man die Anbaumethode verändert und neue Gerätschaften braucht, umziehen muss oder einen neuen Beruf lernt – immer benötigt man Geld“, sagt Birgit Schößwender, Kampagnenverantwortliche beim Weltladendachverband. Der Mehrpreis, den die Kunden für faire Produkte bezahlen, gibt einen gewissen Spielraum für solche Anpassungsbemühungen.

Die 55 Mitglieder der Heiveld Kooperative, die in der südafrikanischen Kapprovinz Rooibostee für das Fairhandelshaus dwp produzieren, treffen sich alle drei Monate zu einem Klimaworkshop. Dort erfahren die Genossen nicht nur die neuesten Prognosen des meteorologischen Instituts ihres Landes. Sie beraten auch gemeinsam, was das für sie bedeutet. „Wenn ein trockener Winter bevorsteht, macht es Sinn, das Vieh vorher zu verkaufen“, gibt Noel Oettle von der Umweltbeobachtungsorganisation EMG als Beispiel.

Seit einige Genossen in den extrem heißen und trockenen Wintern 2003 bis 2006 einen Großteil ihrer kultivierten Rooibos-Pflanzen eingebüßt haben, konzentrieren sie sich zunehmend auf die Ernte von Wildpflanzen, die mit den veränderten Gegebenheiten wesentlich besser klarkommen. Doch anders als in den 60er Jahren, als es noch deutlich mehr regnete und jedes Jahr eine Ernte möglich war, kann inzwischen jeder Busch nur alle zwei Jahre beschnitten werden, haben die Produzenten herausgefunden.

Die Vertreter des Fairen Handels sehen sich allerdings auch noch auf einer ganz anderen Ebene mit der Klimafrage konfrontiert. „Wie kann man denn heutzutage noch Lebensmittel aus fernen Ländern importieren, werde ich immer häufiger gefragt“, berichtet Elke Ahrens, die bei Brot für die Welt für das Thema zuständig ist. Sie warnt dann vor einer eindimensionalen Perspektive, die bei der Klimafrage ausschließlich die Transportwege ins Zentrum rückt. Schließlich fördere der faire Handel ja auch nachhaltige Anbaumethoden: Ein Großteil der Kooperativen ackert ohne Gift und mit viel Körpereinsatz. Das ist nachweislich klimaschonend. Zum einen entsteht auf Biohöfen mehr Humusboden, der CO2 speichert. Zum anderen erspart der Verzicht auf mineralischen Kunstdünger der Atmosphäre das extrem schädliche Lachgas, das das Treibhaus Erde 300-mal so stark aufheizt wie CO2. Elke Ahrens kündigt an, dass es für faire Produkte demnächst Klimabilanzen geben wird.

Auch Jan Kowalzig von Oxfam warnt: „Wenn man jetzt versucht, ausgerechnet den fairen Handel zu unterbinden, verlieren die Kleinbauern auf jeden Fall mehr, als sie durch den damit erreichten Klimaschutz gewinnen könnten.“ Dabei sei eine allgemeine Besteuerung von Schiffs- und Flugtransporten durchaus sinnvoll und werde im Vorfeld der Kopenhagener Klimakonferenz auch ernsthaft diskutiert. Ein Auktionshandel mit CO2-Zertifikaten in der EU ist ebenfalls im Gespräch. Oxfam unterstützt dabei den Vorschlag, mit den Einnahmen Klima-Anpassungsmaßnahmen in Entwicklungsländern zu finanzieren. Sollte dann bei Fracht, die aus den 48 ärmsten Ländern stammt, auf die Transportsteuer verzichtet werden, wäre das für den Klimaanpassungsfonds ein nur kleiner Verlust – und ein Vorteil für diejenigen, die am meisten unter dem Klimawandel leiden. Auch für viele Kleinproduzenten des fairen Handels wären solche Entscheidungen in Kopenhagen endlich mal eine gute Klimanachricht.