Verschieden und verwoben

WHO IS WHO Am Fairen Handel wirken sehr unterschiedliche Akteure mit. Das Spektrum reicht vom Ehrenamt bis zum Discounter. Dieses Patchwork ist Basis des Wachstums

Inzwischen stammen etwa 70 Prozent der fair gehandelten Produkte aus ökologischer Landwirtschaft

VON TILMAN VON ROHDEN

Die Zeiten der „Sandino-Dröhnung“ sind vorbei, als man die braunen Bohnen der Solidarität in rohen Jutetaschen nach Hause trug. Tetra-Paks, Vakuumfolien, Qualitätssiegel – fair gehandelte Waren sind im Mainstream angekommen. Aber der Eindruck von „Big Business“ täuscht.

Die Produkte sind zwar zertifiziert, professionell verpackt und stehen im Supermarktregal neben den großen Marken. Doch die Umsatzzahlen sind noch vergleichsweise niedrig, wenn man sie etwa Bioprodukten gegenüberstellt. Und vor allem gilt: Der Faire Handel ist ein Marktsegment, aber zugleich auch eine Bewegung, bei der die Basis noch den Ton angibt.

Zentraler Point of Sale sind nicht Discounter wie Lidl und Konsorten, sondern die etwa 800 Weltläden überall in der Bundesrepublik. Man koordiniert zwar Produktdesign und Marketing, doch vor Ort wirtschaftet jeder Laden für sich selbst – meist in Form eines eingetragenen Vereins. „Ein wichtiger Teil der Arbeit wird nicht von Hauptamtlichen, sondern von Freiwilligen geleistet“, so Christoph Albuschkat vom Weltladen-Dachverband. Dabei stehe nicht der Verkauf im Vordergrund: „Genauso wichtig sind für die Weltläden die Organisation von Bildungsveranstaltungen wie auch die politische Kampagnenarbeit.“

Unter den Aktiven sind traditionell sehr viele kirchliche Gruppen und auch Mitglieder von Umweltverbänden. Fairer Handel war aber immer schon ein Teil der Aktivitäten: „Angefangen hat die Geschichte zu Beginn der Siebzigerjahre mit den ersten Verkaufsständen auf Märkten und nach Gottesdiensten.“ Für Albuschkat geht es beim Fairen Handel nicht einfach nur um Solidarität mit den ProduzentInnen: „Solidarität hat einen zu karitativen Touch, uns geht es schlicht und ergreifend um Gerechtigkeit, eine gleichberechtigte Partnerschaft zwischen Nord und Süd.“

Zu einem Symbol dieser Nord-Süd-Partnerschaft ist das grün-blaue Siegel von Transfair geworden. „Wir verkaufen keine Waren, sondern vergeben ein Siegel für Produkte, die unter den Bedingungen des Fairen Handel produziert und gehandelt werden“, so Transfair-Sprecherin Bettina von Reden. Mittlerweile gehören mehr als hundert Firmen zu den Lizenznehmern. Darunter sind Fairtrade-Spezialisten wie gepa oder El Puente, aber auch konventionelle Unternehmen wie Tchibo, Nestlé oder Starbucks. „Für jedes Kilo Bananen gehen 3 Cent an Transfair, für jedes Kilo Kaffee 11 Cent“, so Bettina von Reden. Mit den Lizenz-Einnahmen wird nicht nur das Siegel selbst finanziert, sondern auch Marketing, Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit.

Bei der gepa dagegen sind Logo, Import und Vertrieb von fair gehandelten Waren unter einem Dach versammelt. Handelspartner sind rund 160 Genossenschaften, Vermarktungsorganisationen und engagierte Privatbetriebe in Afrika, Lateinamerika und Asien. Traditionell liefert man Produkte wie Kaffee, Tee oder Schokolade an Weltläden und etwa 6.000 lokale Aktivisten, zum Beispiel Kirchengemeinden oder Umweltschutzgruppen. Zu den Gesellschaftern gehören Brot für die Welt, Misereor und weitere christliche Entwicklungshilfeorganisationen. Besondere Erfolge konnte man mit der Kombination von Bio und Fair verzeichnen. Viele Handelsketten wie Kaiser’s, Karstadt oder Kaufhof haben seit den Neunzigerjahren ein speziell designtes Holzregal mit einer Auswahl der beliebtesten gepa-Produkte in ihr Angebot aufgenommen.

Das kam an: „Die Kundinnen und Kunden greifen immer öfter zu fairen Bio-Produkten“, so gepa-Geschäftsführer Thomas Speck. „Inzwischen stammen etwa 70 Prozent der fair gehandelten Produkte aus ökologischer Landwirtschaft.“ In den Genuss von fairem Kaffee oder Tee kommt allerdings auch eine wachsende Zahl von Gästen in Mensen, Cafeterien oder Betriebskantinen, denn gepa versorgt zudem zahlreiche solcher „Großverbraucher“.

Ein ähnliches Warenspektrum wie gepa bietet das Großhandelsnetzwerk El Puente, allerdings findet der Vertrieb von fair gehandelten Lebensmitteln, Textilien und Kunsthandwerk hauptsächlich über Weltläden sowie regionale Fairtrade-Zentren statt.

Direkt shoppen kann man mittlerweile aber zahlreiche Artikel auch auf der El-Puente-Homepage. Ähnlich wie die gepa kam der ursprüngliche Impuls aus der ökumenischen Entwicklungshilfe. Mitte der Siebzigerjahre gründete man erst einen Verein, dann eine GmbH für Import und Vertrieb. Mittlerweile beliefert El Puente bundesweit 1.500 Partner.

Zu viel Gutmenschentum und zu wenig revolutionärer Geist? Wer der guten alten Sandino-Dröhnung hinterhertrauert, sollte mal auf der Website von Café Libertad vorbeischauen. Dort denkt man fair und revolutionär noch in einem Atemzug: Verkauft wird zapatistischer Kaffee aus dem mexikanischen Chiapas. Damit auch die GenossInnen in der Ersten Welt nicht an Bleivergiftung sterben, stammen die Bohnen mittlerweile aus zertifiziert biologischem Anbau.