Ermittlungen wegen Stones und Jatta: Hamburger Verfolgungswahn

Hamburgs überlastete Staatsanwaltschaft hat sich in Verfahren verrannt, die den Betroffenen schwer schaden. Rassismusvorwürfe kontert sie dünnhäutig.

Die HSV-Spieler Bakery Jatta und Robert Glatzel feiern ein Tor mit gemeinsam in die Höhe gereckten Zeigefingern

Die Identität des Gambiers Jatta bezweifelt die Anklagebehörde, die des Österreichers Glatzel nicht Foto: Axel Heimken/dpa

Egal wie das Urteil im Korruptionsprozess um Eintrittskarten für ein Rolling-Stones-Konzert ausfällt: Hamburgs Staatsanwaltschaft hat schon verloren. Denn das Gros ihrer Anklage musste sie längst kassieren: Bestechung und Bestechlichkeit, Vorwürfe, die dazu angetan sind, bürgerliche Existenzen zu vernichten. Sie stützten sich allein auf eine Hypothese darüber, wie viel Miete eine Wiese kosten müsse. Aber die war dreifach zu hoch angesetzt, weil schlampig recherchiert.

Auf dieser dünnen Grundlage hat die Anklagebehörde fast fünf Jahre lang ein gutes Dutzend angesehener Bür­ge­r:in­nen – und, ja, zum Teil auch Die­ne­r:in­nen – der Stadt mit Ermittlungen überzogen, deren Schäden kaum reparabel sein werden. Selbst wenn die Angeklagten auch vom verbliebenen Micker-Vorwurf der Vorteilsnahme freigesprochen würden.

Die Staatsanwaltschaft klagt seit Jahren über chronische Unterbesetzung. Umso skurriler wirkt der Verfolgungseifer, den sie an den Tag legt. Natürlich wäre im Fall „Rolling Stones“ denkbar, dass die krasse Fehleinschätzung, die der Anklage zugrunde liegt, eben jener Arbeitsüberlastung geschuldet ist – und dass die gleichzeitig verhindert, dass interne Kontrollmechanismen greifen.

Zweifel daran nährt ein anderer „Fall“, in dem es nicht mehr nur um die Zerstörung der bürgerlichen, sondern der Existenz überhaupt geht: Jüngst lehnte das Amtsgericht Altona die Eröffnung eines Verfahrens gegen den Fußballprofi Bakery Jatta ab, dem die Staatsanwaltschaft vorwirft, mit einer falschen Identität eingereist zu sein. Beweise, die eine Verurteilung wahrscheinlich machen würden, hat sie nach Ansicht des Gerichts nicht. Jatta dagegen hat vor geraumer Zeit beglaubigte Papiere vorgelegt, deren Echtheit Hamburger Behörden bestätigt haben.

„Kampagne“ betreiben immer die anderen

Dennoch hat die Staatsanwaltschaft gegen die Nicht-Eröffnung Widerspruch eingelegt und nun sogar einen Befangenheitsantrag gegen den Richter gestellt. Die Staatsanwaltschaft hat sich in diesem Zusammenhang als Opfer einer Medienkampagne pro Jatta hingestellt. Das ist eine fast schon ulkige Form der Schuldumkehr, denn es war eine Kampagne der Sport Bild und ihres Mutterschiffs, die die Ermittlungen erst ausgelöst hatte. Und bei einer Razzia in Jattas Wohnung waren Bild-Reporter dabei.

Besonders getroffen hat die Staatsanwaltschaft der auch von Grünen und Linken erhobene Vorwurf, die Ermittlungen gegen Jatta seien rassistisch motiviert. Es lassen sich schwer Vergleiche anstellen bei Delikten gegen das Aufenthaltsrecht, die per definitionem nur Nicht-EU-Ausländern zur Last gelegt werden, also meist People of Colour. Aber das zentrale „Beweis“-Stück der Staatsanwaltschaft, ein mehrere Tausend Euro teures Bewegungsgutachten, das anhand von Bewegungsabläufen in Videoaufnahmen die Personenidentität von Jatta und einem anderen Fußballprofi belegen soll, erinnert an die dunkelsten Kapitel der biologischen Anthropologie.

Schwerer wiegt, dass die Staatsanwaltschaft zur Echtheit von Jattas Personaldokumenten lediglich lapidar darauf verweist, so was könne man in Gambia auch nachträglich beschaffen. Bei einer belgischen Geburtsurkunde hätte man wohl zumindest vor Ort eine Überprüfung des einzelnen Dokuments angestrengt.

Es ist die Herkunft

Es ist also sehr wohl seine Herkunft, die dazu führt, dass Bakery Jatta auch nach anderthalb Jahren noch nicht in Ruhe Fußball spielen kann. Und das kann man rassistisch nennen.

Die taz hatte in ihrem – satirischen – „vorauseilenden Jahresrückblick“ an Silvester prophezeit: „Bei ihrer Jagd auf Bakary Daffeh verzeichnet die Hamburger Staatsanwaltschaft einen Rückschlag: HSV-Kicker Bakery Jatta kann beweisen, dass er nicht Bakary Daffeh ist, obwohl er fast denselben Vornamen trägt. In der Folge wird geprüft, ob man die Anklage gegen Jatta wegen Vortäuschens einer falschen Identität abschwächen könne, zweifelt aber daran,,denn schwarz ist er ja weiterhin'‚ so eine Sprecherin.“

In diesem Sinne: Sollte es tatsächlich eine Medienkampagne pro Jatta und zu Lasten der Staatsanwaltschaft geben, würde die taz an dieser Stelle gern die geistige Urheberschaft daran beanspruchen.

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Jan Kahlcke, war von 1999 bis 2003 erst Volontär und dann Redakteur bei der taz bremen, danach freier Journalist. 2006 kehrte er als Redaktionsleiter zur taz nord in Hamburg zurück

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