Flüchtlingsaufnahme in Berlin: Zwei Schritte hinterher

Berlin tut sich mit der Registrierung der Flüchtlinge aus der Ukraine schwer. Dabei ist sie wichtig für die Menschen und würde die Stadt entlasten.

Flüchtlinge aus der Ukraine warten vor dem Berliner Ankunftszentrum

Flüchtlinge aus der Ukraine warten vor dem Ankunftszentrum in Berlin-Reinickendorf Foto: Jens Schicke / imago

BERLIN taz | In Berlin ankommende Flüchtlinge aus der Ukraine sollen bald im neu geschaffenen Ankunftszentrum in Tegel registriert und von dort bundesweit verteilt werden. Derzeit ist der ehemalige Flughafen eine riesige Notunterkunft mit rund 500 Plätzen, die auf 2.500 bis 3.000 erweitert werden sollen. Nach Auskunft des Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) ist noch nicht klar, wann die Strukturen für die Registrierung fertig werden. „In den kommenden Tagen“, hieß es Montag von der Tegel Projekt GmBH, die bei den Vorbereitungen hilft.

Beim LAF wollte man sich allerdings nicht darauf festnageln lassen, dass die Registrierung dort noch diese Woche losgeht. Es fehle an technischen Voraussetzungen und Mitarbeiter*innen. Zusätzlich bereitet das LAF nach eigener Aussage eine Online-Registrierung vor. Auch da ist der Start aber noch unklar.

Dabei hängt viel daran: Denn die Registrierung wäre ein Hebel, um Flüchtlinge aus der Ukraine zügig auf andere Bundesländer zu verteilen. Berlin könnte damit aus der derzeitigen Notlage herauskommen, täglich kurzfristig teils nur für wenige Tage nutzbare neue Übernachtungsplätze etwa in Veranstaltungsräumen wie dem Festsaal Kreuzberg schaffen zu müssen.

„Jeder Tag und jede Nacht ist ein Wettlauf für die Ehrenamtlichen und die Hauptamtlichen“ zwischen dem Schaffen neuer Plätze und den neu Ankommenden, sagte auch Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) am Montag im RBB Inforadio. „Man hat das Gefühl, man muss jeden Tag ein bisschen schneller laufen.“ Dabei sei dies erst der Anfang – man müsse sich auf einen Marathon einstellen, so Kipping.

Leistungen Flüchtlinge aus der Ukraine, die nicht registriert sind, haben bei Mittellosigkeit Anspruch auf Leistungen. Die sollen derzeit die Sozialämter der Bezirke auszahlen, eine Meldeadresse ist nicht notwendig, die Vorsprache gilt als Schutzgesuch. Infos unter www.berlin.de/ukraine/faq/.

Schlafplatzbörse Ab Mittwoch will die Plattform www.unterkunft-ukraine.de/ in Tegel Flüchtlinge in private Unterkünfte vermitteln. Auf der Plattform sind bereits Tausende Angebote registriert. Vom 1. bis 9. März haben die Betreiber nach eigenen Angaben rund 500 Familien pro Tag vermittelt. (taz)

Mehr als alle anderen Bundesländer zusammen

Die Senatorin hatte am Sonntag bei einem Besuch in Tegel auch betont, dass Berlin derzeit mit 1.000 Menschen pro Nacht etwa so viele Flüchtlinge unterbringe wie alle anderen Bundesländer zusammen. Aber auch dies hängt mit der Registrierung zusammen: Denn nur bei nicht registrierten Geflüchteten sei Berlin von freiwilligen Unterkunftszusagen anderer Bundesländer abhängig, wie eine Sprecherin des LAF am Montag bestätigte. Nach einer Registrierung hingegen werden die Flüchtlinge nach einem Schlüssel auf die Länder verteilt, die sie dann auch unterbringen müssen. Berlin müsste dann 5 bis 10 Prozent der Menschen aufnehmen. Diese würden nicht komplett willkürlich verteilt: Bisherige Kontakte oder familiäre Bindungen würden berücksichtigt.

„Die Registrierung sollte am zweiten Tag der Ankunft erfolgen“, fordert Amei von Hülsen-Poensgen von der Initiative Willkommen im Westend. „Wenn Berlin schneller registrieren würde, müsste das Land viel weniger Menschen unterbringen.“ Das habe München im Jahr 2015 gezeigt. Dort kam damals ein großer Teil der Flüchtlinge über die sogenannte Balkanroute an. „Sie bekamen ein Bett für eine Nacht und am nächsten Tag ging es weiter“, sagt von Hülsen-Poensgen. Zurzeit seien die Behörden in Berlin über je­de*n froh, die/der privat untergebracht werde. Das seien schätzungsweise zwei Drittel aller Ankommenden. „Das verlagert das Problem aber nur. Niemand will wieder so ein Chaos wie 2015. Aber das Chaos ist zurzeit einfach weniger sichtbar“, sagt sie.

Jetzt ist Berlin der Flaschenhals, denn derzeit kommt ein großer Teil der Flüchtlinge aus der Ukraine hier an – einmal, weil Busse und Züge aus Polen hier enden, zum anderen, weil viele der Geflüchteten zunächst die Hauptstadt als Anlaufpunkt wählen. „Wenn Berlin erst sechs bis acht Wochen nach Beginn des Krieges mit den Registrierungen beginnt, kommen wir in einen riesigen Rückstau“, sagt von Hülsen-Poensgen. „Im schlimmsten Fall werden Menschen weitergeschickt, wenn sie schon Kontakte aufgebaut haben und die Kinder vielleicht sogar schon in die Schule gehen.“ Das sei unnötig und „menschlich nicht tragbar“. „Wie kann ich guten Gewissens Ehrenamtliche ermutigen, die Flüchtlinge zu begleiten, wenn noch gar nicht klar ist, ob sie in Berlin bleiben?“

Auch bisher schon können Flüchtlinge aus der Ukraine freiwillig in andere Bundesländer weiterreisen. Es habe sich unter ihnen auch bereits herumgesprochen, dass es in kleineren Städten möglicherweise leichter sei, berichtet von Hülsen-Poensgen. Wer schon in Berlin ist, kann sich derzeit online einen Termin für die Registrierung reservieren. Allerdings waren am Montagmittag alle Termine bis etwa Mitte April bereits ausgebucht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.