Israels Blick auf den Ukraine-Krieg: Diplomatische Zwickmühle

Außenpolitisch ist Israel sowohl von Russland als auch von den USA abhängig. Auf Moskaus Angriffskrieg reagiert das Land deshalb unentschlossen.

Menschen im Dunkeln demonstrieren und schwenken eine ukrainische Flagge, sie spiegeln sich in einem See

An der Seite der Ukraine: Demonstration in Tel Aviv am vergangenen Samstag Foto: Ronen Zvulun/reuters

TEL AVIV taz | „Ich hoffe, dass Israel sich zu der russischen Invasion in der Ukra­ine bald klar positioniert“, sagt Svetlana Shimanovski auf dem Rothschild-Boulevard in Tel Aviv. Um sich gewickelt hat sie die gelb-blaue Flagge der Ukraine. Auf der Prachtstraße ist kaum ein Durchkommen. Zehntausende sind am Samstagabend in die Innenstadt gezogen, um gegen den Krieg in der Ukraine zu demonstrieren. Die meisten von ihnen sprechen Russisch. Insgesamt stammen eine knappe Million Israelis aus der vormaligen Sowjetunion, etwa die Hälfte von ihnen aus dem heutigen Staatsgebiet der Ukraine. Shimanovski ist eine von ihnen. Derzeit sorgt sie sich um ihre Familie in Kiew.

Entgegen Shimanovskis Wunsch hält Israel sich allerdings bedeckt. Israels uneindeutige Positionierung zeigte sich bereits am vergangenen Dienstag mit einer nebulösen Stellungnahme des Außenministeriums. Israel unterstütze die „territoriale Integrität“ der Ukraine. Russland wurde mit keinem Wort erwähnt. Einen Tag später fand sich Außenminister Jair Lapid bereit, den Einmarsch doch noch zu verurteilen. Der Angriff sei ein ernster Verstoß gegen die internationale Ordnung. Israel verurteile den Angriff und sei vorbereitet, ukrainischen Zi­vi­lis­t*in­nen humanitäre Hilfe zu liefern. Er fügte jedoch hinzu, dass Israel gute Beziehungen sowohl zur Ukraine wie auch zu Russland pflege.

Die USA und der Westen sind irritiert über das Verhalten Israels, genauso ist auf der anderen Seite Russland verärgert. Kurz nach Bennetts Stellungnahme kündigte der russische Botschafter in Israel an, dass sein Land Israels Besetzung der Golanhöhen verurteile. Israel befindet sich in diesem Konflikt in einer Zwickmühle – auf der einen Seite die Russen, auf der anderen die USA.

Russland kontrolliert den Luftraum über Syrien und erlaubt dort der israelischen Luftwaffe, Schläge gegen iranische Ziele durchzuführen. Für Israel wäre der Verlust dieser Zusammenarbeit mit den Russen im syrischen Luftraum ein schwerer Schlag. Hinzu kommt die Popularität Putins unter vielen Israelis. Ex-Premier Benjamin Netanjahu hatte etwa in den zahlreichen Wahlen 2019 und 2020 mit seinen guten Beziehungen zu Putin punkten können.

Die Rolle des Atomabkommens mit dem Iran

Israel pflegt auf der anderen Seite eine besondere Beziehung zur Ukraine, nicht zuletzt mit dem jüdischen Präsidenten Wolodimir Selenski und den in seinem Land lebenden 100.000 Jüd*innen. Bei aller Vorsicht wird sich Israel auf der Seite der USA positionieren müssen, von denen Israel nach wie vor militärisch und finanziell abhängig ist und die dem Land international Gewicht verleihen. Die Frage ist, wie eindeutig.

Die Antwort darauf hängt auch mit den Verhandlungen in Wien über die Wiederherstellung des iranischen Atomabkommens von 2015 zusammen, gerade jetzt, da diese laut der beteiligten Di­plo­ma­t*in­nen in die Endphase eingetreten sind. Der Iran hat sich nach der russischen Invasion auf die Seite der Russen gestellt, hat zwar den Angriff nicht unterstützt, aber die „Krise“ auf Provokationen der Nato zurückgeführt. Im Gegenzug dürfte er auf Unterstützung Russlands in den Gesprächen hoffen. Russland wird genau hinsehen, wie sich Israel nun verhält. Der russische Botschafter sagte vor zwei Tagen, er hoffe, Israel werde weiter seinen „weisen diplomatischen Ansatz“ verfolgen. Darin steckte auch eine Warnung.

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