Demo vor russischer Botschaft: Jugend demonstriert gegen Putin

Der Protest gegenüber Russland wird auch in Berlin lauter. Am frühen Dienstagabend wurde vor der russischen Botschaft demonstriert.

Demonstrierende vor der russischen Botschaft

Im Vergleich zu 2014 sind die De­mons­tran­t*in­nen jünger und durchmischter Foto: Imago / Mike Schmidt

Berlin taz | Es muss schon ein bedeutsames Ereignis sein, dass die Jugendorganisationen von CDU/CSU, SPD, FDP und den Grünen gemeinsam auf die Straße gehen. Der Vorsitzende der Jungen Union, Tilman Kuban, wirkte am Dienstagabend glatt wie ein politischer Aktivist, als er mitten im Pulk den Sprechchor „Stand with Ukraine“ in das Mikrofon anstimmte.

Vor der russischen Botschaft hatten sich rund 600 Menschen versammelt, um ihre Solidarität mit der Ukraine und Forderungen an die russische Regierung zu bekunden. Gekommen sind, wie schon zu vorherigen Protesten, größtenteils junge Menschen. Einige sprechen ukrainisch miteinander, viele aber auch deutsch oder englisch.

Ukrainische Nationalflaggen werden geschwenkt oder über die Schultern gelegt. Auf dem engen Grünstreifen vor der Botschaft kommt eine hektische Stimmung auf und immer wieder ertönen laute Sprechchöre, unterstützt von Trommelschlägen – gerufen wird im Wechsel: „Stand with Ukraine“, „Stop Putin, Stop Wars“, „Raus aus Donbass“ und „Sanktionen gegen Russland jetzt“. In den Stimmen und der Lautstärke der Demonstrierenden ist ihre Wut auf das Verhalten Russlands in der Ukraine deutlich spürbar.

„Wir sind dankbar, dass sich Deutschland heute auf unsere Seite gestellt hat und Nord Stream 2 vorerst gestoppt hat“, verkündet Eva, eine Sprecherin von vitsche Berlin, einer jüngst gegründeten Initiative junger Menschen, die sich mit der Ukraine solidarisieren. Danach halten jeweils Vertreter der Jugendorganisationen der großen Parteien kurze Reden – den Anfang macht der Vorsitzende der Jungen Union, Tilman Kuban. Er spricht von einem gemeinsamen Appell junger Politiker*innen, den es in der Form schon lange nicht mehr gegeben habe. Seine Forderung ist ein klares Signal der deutschen Regierung gegenüber Wladimir Putin. Er fügt hinzu: „Zu lange haben wir unsere Freunde im Stich gelassen.“

„Wenn nicht jetzt, wann dann?“

Im Anschluss sprechen der Bundessprecher der Grünen Jugend, Timon Dzienus, der stellvertretende Vorsitzende der Jusos, Lasse Rebbin, und Maximilian Reiter, Mitglied des Bundesvorstands der Jungen Liberalen. Sie alle fordern eine starke Haltung Deutschlands und der EU gegenüber Russland. Die momentane Absage in Sachen Nord Stream 2 und die geplanten Sanktionen unterstützen sie dabei alle. Gleichzeitig sehen sie es als notwendig an, dass Wladimir Putin „zurück an den Verhandlungstisch“ kommt. Die Voraussetzung dafür müsse aber sein, dass Putin die Anerkennung der Separatistengebiete als unabhängig zurücknimmt.

Für Lasse Rebbin (Jusos) ist es die Pflicht der jungen Generation, die in einem friedlichen Europa aufwächst, dafür zu sorgen, dass die militärische Aggression Russlands endet. Und tatsächlich sind viele junge Menschen vor Ort. So wie die 21-jährige Demonstrantin Celina Isenbart, für die die Demonstration am Dienstag schon der sechste Ukraine-Protest innerhalb kurzer Zeit ist. Und für den 22-jährigen Lukas (Junge Union) ist es gar die erste Demo überhaupt. Er gibt zu, dass das Auftreten auf Demonstrationen sonst nicht das Steckenpferd der CDU ist. „Aber wenn nicht jetzt, wann dann?“, sagt er. Europa ist vor allem ein Thema für junge Menschen, hier geht es um unsere Zukunft.“

Eine Demonstrantin, die schon 2014 bei den vergleichsweise kleineren Protesten dabei war, meint, ihr bedeute es viel, dass so viele verschiedene Menschen sich mit der Ukraine solidarisieren und auf die Straße gehen. Sie ist in der Ukraine geboren und lebt seit zehn Jahren in Berlin. Ihre Familie und viele Freun­d*in­nen sind aber noch in der Ukraine. Natürlich mache sie sich um sie alle Sorgen. Sie sagt, während 2014 noch die meisten Teil­neh­me­r*in­nen auf den Demos aus der „ukrainischen Community“ gekommen seien, gehe es momentan deutlich gemischter zu: „Die Ernsthaftigkeit dieses Konflikts ist endlich in Deutschland angekommen.“

Und was ist mit der Linksjugend?

Die Initiative vitsche möchte einen Beitrag leisten, die ukrainische Community in Berlin sichtbarer zu machen. Ein Sprecher der Initiative, Maxim Gyrych, bestätigt, dass die Demo-Teilnehmer*innen im Vergleich zu 2014 jünger geworden sind. Seiner Meinung nach liege das einerseits an einem vermehrten Zuzug junger Ukrai­ne­r*in­nen nach Berlin seit 2014, andererseits auch an der Mobilisierung zu Protesten auf Social Media. Gyrych hofft, dass nach Putins Rede am Montag, in welcher er die ostukrainischen Gebiete Donbass und Luhansk als unabhängig anerkannte, „deutlich wird, dass es Putin nicht um die Nato, sondern um großrussischen Imperialismus geht“.

Manche De­mons­tran­t*in­nen fragten sich, warum die Linksjugend nicht offiziell mit den anderen Jugendorganisationen auftrat. Auf Twitter ließen sie verkünden, dass das auch daran lag, dass die Junge Union ein Kooperationsverbot mit ihnen habe. Demnach bedauern sie es, dass diese „Ausgrenzungstaktik“ erfolgreich war.

Ebenfalls auf Twitter stellte der Bundesverband der Linksjugend in einer Stellungnahme einen internen Konflikt mit ihrem Berliner Ableger dar: Sie kritisieren ein Statement vom Landesverband Berlin vom 22. Februar, in welchem die These aufgestellt wurde, dass der Aggressor im Konflikt um die Ostukraine die Nato sei. Für den Bundesverband ist klar, dass der Einmarsch russischer Truppen in ukrainisches Gebiet einen „völlig inakzeptablen Bruch des Völkerrechts“ darstellt und die Hauptschuld an der Eskalation beim russischen Regime liegt.

Einer der Landessprecher Berlins, Bengt Rüstemeier, meint, dass die Berliner Linksjugend in dem Konflikt sowohl die Osterweiterung der Nato kritisiere wie auch den russischen Völkerrechtsbruch. Rüstemeier betont, dass auch die Linksjugend Berlin keinesfalls das russische Vorgehen als „gut oder besser als die Nato“ in dem Konflikt sehe.

Gleichwohl sind am Dienstag auch Mitglieder der Linkspartei vor Ort – wenn auch vorwiegend etwas älteren Semesters. Die Berliner Landesvorsitzende Katina Schubert ist dabei, ebenso der Berliner Linksfraktionsvorsitzende Carsten Schatz und auch mehrere Bundestagsabgeordnete wie Pascal Meiser, Caren Lay oder Martina Renner. Auf dem Transparent, um das sie sich versammelt haben, steht: „Die Waffen nieder!“ Klaus Lederer, Berlins Linksparteibürgermeister, twittert: „Es tut gut, mit so vielen vor der Russischen Botschaft zu protestieren.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.