Die Wahrheit: Die Kalifin und die Thomasse

Weder Niedergeschlagenheit noch Doom­scrolling hilft den Opfern Putins; als angehende Weltkalifin könnte man etwas Sinnvolles arbeiten. Schön wär's.

Anlässlich des gestrigen Weltfrauentags wollte ich hier eigentlich meinen Plan zur Erringung der Weltherrschaft entwickeln. „Wie werde ich Kalifin?“ soll mein Ratgeber heißen, der, millionenfach verkauft, mir schon mal die pekuniäre Basis sichern wird. Der Rest kommt dann irgendwie hinterher.

Stattdessen kam Putin. Ja, ich weiß, ich höre auch gleich wieder auf damit. Seit Opa Putin Weltkalifin werden möchte, pendelt mein Alltag zwischen nachrichtensüchtiger Depression und der eher theoretischen Einsicht, dass weder Niedergeschlagenheit noch Doom­scrolling seinen Opfern hilft und ich also genauso gut etwas Sinnvolles arbeiten, außerdem zum Besten meiner Umwelt auch eine Art gute Laune an den Tag legen könnte.

Aber es klappt nicht richtig, schon weil ich nicht mehr gut schlafe. Das ist theatralisch und albern, wenn man gemütlich und unbebombt in seinem warmen Bettchen in Mitteleuropa liegen darf, doch meine Traumregisseurin bedient sich leider eher bei den Nachrichten als bei der idyllischen ländlichen Aussicht. Neulich hat sie Putin verhaften lassen; das war dann eine der besseren Nächte.

Altkalif Gerhard Schröder

Der Rest der Welt zieht auch nicht mit. Wenn man die Zeitungsseite umblättert, taucht als Nächstes Altkalif Gerhard Schröder auf. Falls ich mal lachen will, erinnere mich an sein Statement aus dem Jahr 2005: „Wir müssen doch die Kirche im Dorf lassen!“ angesichts der Ungeheuerlichkeit, dass jemand anders als er selbst, nämlich die Wahlgewinnerin, Kanzler werden sollte. Eigentlich hätte man da schon wissen können, dass Realitätsverleugnung ein zentrales Charaktermerkmal Schröders ist und sich daran deprimierenderweise nichts mehr ändern wird.

Noch eine Seite weiter grinst unter seinem Toupet hervor Rainer Maria Kalif Woelki. Das Rotmützchen ist inzwischen ebenfalls im Rentenalter, will aber nach einer „geistlichen Auszeit“ – Moment, was ist das überhaupt? Kann ich so was auch haben? Mit Schokolade und Musik, bezahlt von der katholischen Kirche? Da bin ich zwar gar nicht Mitglied, aber verdient hätte ich es bestimmt. Woelki also kann nicht lassen von den Schalthebeln des Kardinaltums, weil man da ja viel bewirken kann, Straftäter decken und so. Immerhin hat er jetzt nach jahrelangem Zögern, ach nee, bestimmt nach würdigem „Ringen mit Gott“, seinen Rücktritt angeboten. Aber eigentlich reicht es ja, wenn Gott einem verzeiht, und das tut er immer. Jedenfalls bis jemand das Gegenteil beweist.

Bei diesem speziellen Unfug dürfen Frauen bekanntlich nicht mitmachen, ebenso wenig wie im russischen Oligarchen- und Regierungsverein. Deshalb wollte ich mich stattdessen für den Beginn meiner Kalifinnenkarriere in einen kleinen, irrelevanten Beirat wählen lassen. Schon im Anschreiben teilte man mir aber mit, dass der Beirat bisher nur aus Thomassen besteht, die alle wieder kandidieren werden. So setzen sich überall und immer nur die Besten durch.

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Susanne Fischer schreibt Romane und Kinderbücher und arbeitet als Geschäftsführender Vorstand der Arno Schmidt Stiftung und des Deutschen Literaturfonds e.V., letzteres ehrenamtlich. (FOTO: THOMAS MÜLLER)

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kari

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