Die Erklärungen gehen aus

Die Männer des BVB scheiden gegen den Mittelklasseverein Glasgow Rangers in der Europa League aus. Das Scheitern reiht sich ein in eine Saison des planlosen Auf und Ab

In den Pokalwettbewerben unerklärlich instabil: nicht nur Marco Reus und Mats Hummels Foto: Fo­to:­ reuters

Aus Glasgow Marcus Bark

Aschfahl stand Hans-Joachim Watzke am Ausgang des Ibrox-Stadions. Borussia Dortmund war tatsächlich ausgeschieden, nach einem 2:2 gegen die Rangers aus Glasgow. Der Geschäftsführer des BVB war konsterniert, einige Fans in der Kurve waren sogar sehr wütend. Dass ein Verein, der nach dem schmählichen Aus in der Champions League angetreten war, um die Europa League zu gewinnen, nicht mal die erste Aufgabe meisterte, brachte sie in Rage.

„Es ist eine Riesenenttäuschung“, sagte Dortmunds Innenverteidiger Mats Hummels. „In der Champions League sind wir raus in einer Gruppe, in der wir nicht rausfliegen dürfen, und jetzt sind wir in einer Runde raus, in der wir auch nicht rausfliegen dürfen.“ Die Rangers meldeten zuletzt einen Umsatz von etwa 57 Millionen Euro. Das ist ein knappes Viertel von dem, das die schwarz-gelbe Kommanditgesellschaft auf Aktien vor ein paar Tagen an die Börse meldete – allerdings in nur einem halben Jahr. Am Geld kann es nicht gelegen haben, dass der Tabellenzweite der Bundesliga gegen den Tabellenzweiten der schottischen Liga scheiterte.

Oder, dass im DFB-Pokal schon im Achtelfinale gegen den Zweitligisten FC St. Pauli Schluss war. „Die Cupwettbewerbe wirken nach und beeinflussen das Gesamtbild stark“, sagte Trainer Marco Rose, der in weitere Erklärungsnot gerät. Auffällig agil versuchte er die Mannschaft an der Seitenlinie zu lenken, um die 2:4-Hinspielniederlage wettzumachen. Doch es kam wenig zurück. Eine zweite Halbzeit ohne Tor führte Rose darauf zurück, dass seine Mannschaft nach der Pause „ein bisschen zu knabbern“ gehabt habe an der Umstellung des Gegners von einer 4-2-3-1-Grundordnung auf ein 5-3-2.

Auf solche Anpassungen sollte eine so ambitionierte Profimannschaft wie die des BVB gut vorbereitet sein. Sie war es aber nicht, und so gab es in der zweiten Halbzeit kaum Torchancen, nachdem Jude Bellingham und Donyell Malen vor der Pause einen 0:1-Rückstand in eine Führung gedreht hatten. Am Ende, nachdem die Rangers einen kapitalen Fehler von Hummels zum 2:2 genutzt hatten, sollten es dann wieder Spieler wie Reinier und Steffen Tigges richten, die trotz vieler Versuche bislang den Nachweis schuldig blieben, dem BVB helfen zu können. Die Einwechslung des defensiven Mittelfeldspielers Axel Witsel für den verletzten und zuvor schwachen Marco Reus zu einem Zeitpunkt, als noch zwei Tore für eine Verlängerung gebraucht wurden, passte ins Bild.

Dem 6:0 gegen Borussia Mönchengladbach folgte die Enttäuschung in Glasgow. Das Auf und Ab geht rasant weiter, ohne dass ein Plan zu erkennen ist, wie die Fahrt gestoppt werden kann.

„Wir haben 100.000 Verletzte“, lieferte Hummels eine Erklärung, die nur im Maß der Übertreibung neu war. Außer Reus musste am Donnerstag auch Thomas Meunier ausgewechselt werden. Beim Außenverteidiger sei „wohl die alte Verletzung wieder aufgebrochen“, vermutete Rose. Meunier hatte zuvor wegen einer Muskelverletzung aussetzen müssen, die auch Erling Haaland seit Wochen zur Pause zwingt. Am Mittag vor dem Spiel in Glasgow hatte sich Raphaël Guerreiro abgemeldet, auch er – mal wieder – mit muskulären Problemen.

Die Häufung von Muskelverletzungen ist auffällig bei den Dortmundern, die Erklärung dafür lautet hohe Belastungen und Pech.

„Wir sind in einer Runde raus, in der wir nicht rausfliegen dürfen“

Mats Hummels

Souverän zumindest den zweiten Platz hinter dem FC Bayern zu verteidigen, dürfte die Erwartungshaltung an Rose sein, der öffentlich von den Verantwortlichen noch nie infrage gestellt wurde. Die katastrophale Bilanz in den Pokalwettbewerben und die dramatisch schwankenden Leistungen machen es dem Trainer aber zunehmend schwerer, für Vertrauen in ihn zu werben.

„Die Jungs haben alles probiert“, sagte Rose in Glasgow. Bellingham schien aber Zweifel an der Darstellung des Trainers zu haben. Mit zunehmender Spielzeit meckerte er über seine Mitspieler, die dies oder das anders und besser hätten machen sollen. Der 18 Jahre alte Engländer legte sich besonders heftig mit Nico Schulz an. Nach dem Schlusspfiff stand Bellingham dann minutenlang traurig auf dem Platz, wurde von den Rangers getröstet, während seine Kollegen sich in der Kurve den Fans des BVB stellten.

Regungslos standen sie da, ohne Erklärung für das Aus gegen eine Mannschaft der europäischen Mittelklasse, und nicht mal der gehobenen.