Krieg in der Ukraine: Worte reichen einfach nicht

Mag sein, dass Putin am Ende nicht gewinnt, aber bis dahin sind die Aussichten düster. Seine Drohung mit Atomwaffen verändert alles.

Ukrainische Soldaten postieren sich entlang einer Strasse

Ukrainische Soldaten postieren sich unter eine Brücke in einem Vorort von Kiew am 25.02.2022 Foto: Emilio Morenatti/ap

Die Katastrophe, die Russlands Präsident Wladimir Putin über die Ukraine, aber auch über Russland und ganz Europa bringt, ist so groß, dass kaum ein Wort dafür reicht. Dieser Angriffskrieg wird entsetzliches Leid in der Ukraine schaffen. Er wird den ganzen Kontinent auf lange Zeit verändern – und dies nicht zum Besseren.

„Putin wird nicht gewinnen“, sagen Bundeskanzler Olaf Scholz und andere. Sicherlich stimmt das irgendwie. Aber die Aussicht bis zu dem Tag, an dem Putin nicht gewonnen haben wird, ist mehr als deprimierend. Bei der Beschreibung kann man sich den Konjunktiv größtenteils sparen. Es werden viel zu viele Menschen sterben und Familien auseinandergerissen werden.

Russland wird sich die Ukraine und sicher auch Belarus auf die eine oder andere Weise einverleiben und das monströse neue Gebilde in eine imperiale Diktatur verwandeln. Um die mutigen Menschen, die dort gegen den Krieg demonstrieren, muss man sich sorgen. Der wirtschaftliche und sonstige Austausch mit dem Westen wird stark schrumpfen, und das Gros der Bevölkerung in dem isolierten, neu-zaristischen Reich wird materiell und geistig ärmer gemacht.

Der Wirtschaftskrieg wird auch die EU enorme Summen kosten. Bei den recht überschaubaren Sanktionen, die Donnerstag verkündet wurden, kann es ja kaum bleiben. Sollte sich herausstellen, dass Deutschland den Ausschluss Russlands vom Swift-Zahlungssystem auch deshalb bisher verhindert, um die Kredite deutscher Banken zu retten, wäre dies eine Schande.

Das Geld für den Klimaschutz wird in Militär gepumpt

In jedem Fall aber werden die Regierungen Europas unter großen Druck geraten, weil sie fortan Geld in Waffen und Kompensationen für Kriegsfolgen stecken müssen, das sonst für Klimaschutz, Innovation und sozialen Ausgleich verfügbar wäre.

Die Nato muss und wird nun an ihrer Ostflanke aufrüsten, alle völkerrechtlichen Verträge mit Russland aus den 90er Jahren hat Putin aufgekündigt. Die Nato-Staaten in Europa werden die Flüchtlinge aus der Ukrai­ne aufnehmen und die ganze Bitterkeit und Scham erfahren, die es mit sich bringt, dass die Nato nicht mit der Ukraine gegen Russland kämpft.

Denn wir müssen ja zuschauen: Nahezu unverhohlen hat Putin mit Atomwaffen für den Fall gedroht, dass ein Nato-Land der Ukraine militärisch beispringt. 32 Jahre nach Ende des Kalten Krieges lernen wir jetzt also, dass der Besitz von Atomwaffen einen konventionellen Krieg nicht verhindert, sondern ermöglicht. Die Lehre für den Rest der Welt lautet: Gib nie deine Atomwaffen auf – und wenn du kannst, bau dir welche.

Die Verträge zur nuklearen Abrüstung, zuletzt dank des Regierungswechsels in den USA von Donald Trump zu Joe Biden so gerade noch gerettet, rauschen im Hintergrund auf völkerrechtlichen Ramschstatus herab.

Bitter müssen wir lernen, dass diejenigen, die seit über 15 Jahren vor Putin warnen, immer recht gehabt haben. Dass Putin sich mit seiner Wortwahl um eine rechtsförmige Begründung für den Angriff bemüht, ist keinerlei Trost. Die Stichworte „Genozid“ und „Schutz der Bevölkerung“ sind ja kein Zugeständnis an die Erfordernisse der Legitimität, sondern eine bösartige, verlogene Satire darauf (der bulgarische Politologe Ivan Krastev hat über diese Art Parodie schon vor Jahren geschrieben).

Dieser Überfall auf ein friedliches und souveränes Land wurde von erkennbar langer Hand vorbereitet und wird nun planmäßig ausgeführt. Die Skrupellosigkeit darin spricht allen Vorstellungen, es wäre in den letzten Wochen oder auch Monaten mit Diplomatie noch irgendetwas zu erreichen gewesen, Hohn. Sie lässt kaum einen Zweifel daran zu, dass Putin das Druckmittel Atomwaffen ab sofort nach Belieben einsetzen wird.

Wobei: Eigentlich reicht es, die Andeutung einmal gemacht zu haben – die Bedrohung verselbstständigt sich dann. Die Aussichten auf die Folgen des Kriegs, den Putin diese Woche begann, sind so düster, dass kein Wort dafür reichen will.

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Chefredakteurin der taz seit Sommer 2020 - zusammen mit Barbara Junge in einer Doppelspitze. Von 2014 bis 2020 beim Deutschlandfunk in Köln als Politikredakteurin in der Abteilung "Hintergrund". Davor von 1999 bis 2014 in der taz als Chefin vom Dienst, Sozialredakteurin, Parlamentskorrespondentin, Inlandsressortleiterin. Zwischendurch (2010/2011) auch ein Jahr Politikchefin bei der Wochenzeitung „der Freitag“.

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

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